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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wenn Reginaheute ins Haus des baldigen Stadtarztes gezogen wäre. Sie hätte das Mahl für Dietmar richten müssen, und Regina hätte nicht einmal nach ihr gefragt.
    «Dann gehe ich jetzt in die Küche zu ihr», sagte sie leise.
    «Eile dich», sagte Eva.
    Priska lief die Stufen vom ersten Stockwerk bis hinunter in die Küche. Zum letzten Mal musterte sie das Bord mit dem blauen Tongeschirr, das für die Woche galt, die Kochstelle mit dem Holzstapel daneben, den großen Tisch, den sie noch gestern mit Sand gescheuert hatte, und die Wandbänke, die mit einfachen Fellen bedeckt waren. Zum letzten Mal ärgerte sie sich darüber, dass die Tür zur Vorratskammer aufstand, sodass die Feuchtigkeit hineinkriechen und die Würste mit einer weißen Haut überziehen konnte. Und zum letzten Mal stand sie ihrer Schwester als Schwester, ein Lehrmädchen dem anderen, gegenüber.
    «Gott schütze dich, Regina», sagte sie.
    Regina ließ den Kochlöffel sinken, betrachtete das neue Kleid, fuhr über den Stoff von Priskas Umhang. «Hast du die Sachen von der Silberschmiedin?», fragte sie.
    «Ja. Eva hat mir gestern eine Aussteuertruhe gepackt. Hast du die Träger nicht gehört, die sie abgeholt haben?»
    «Nennst du sie so? Eva?», fragte Regina zurück.
    «Sie ist nun bald meine Schwägerin, die Schwester meines Ehegatten.»
    Regina nickte, dann drehte sie sich gleichmütig um und rührte weiter in dem Kessel.
    «Ich wollte mich von dir verabschieden, Regina.»
    Die Schwester nickte. «Ja. Lass es dir gut gehen im Haus des Stadtarztes.»
    «Willst du mir kein Glück wünschen?», fragte Priska.
    Regina fuhr herum, den Kochlöffel wie eine Waffe in der Hand. Ihre Augen funkelten. «Ich wünsche dir das Glück, das du verdienst», sagte sie mit klirrender Stimme, dann wandte sie sich erneut dem Kessel zu und rührte so heftig darin, dass die Suppe zischend auf das Feuer spritzte.
    Priska stand noch einen Augenblick, streckte die Hand nach Regina aus, doch dann ließ sie sie sinken, zuckte mit den Schultern, drehte sich um und ging zur Tür hinaus.
     
    Nun war das Hochzeitsfest vorbei, aus Priska war die Kopperin geworden. Nachdem das Abendgebet verklungen war, segnete Johann von Schleußig das Ehebett. Eva stand daneben, brachte gute Wünsche aus. So war es Sitte, so wollte es der Brauch. Eigentlich hätte die ganze Gesellschaft dabei sein sollen. Es hätte derbe Scherze gegeben, zotige Witze und Gelächter. Doch Adam hatte – in Anbetracht seiner Lage – darauf verzichtet und die Gäste noch im Rathaussaal verabschiedet.
    Nun stand er neben Priska, beide hielten die Köpfe gesenkt und wagten nicht, auf das weiße, unberührte Laken zu blicken.
    Schließlich waren sie miteinander allein. Adam räusperte sich. «Es ist Zeit zum Schlafen», sagte er, trat auf Priska zu und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. «Es war ein anstrengender Tag. Ich wünsche dir eine gute Nacht und schöne Träume.» Mit diesen Worten wollte er sich umdrehen und gehen, doch Priska hielt ihn am Arm fest. «Wohin willst du? Die Nacht hat gerade erst begonnen. Im Rathaus feiern die Gäste noch immer, und auch in den umliegenden Häusern brennt noch Licht. Nicht einmal die Bauern gehen zu so früher Stunde schlafen.»
    «Nun», räusperte sich Adam erneut. «In meine Kammer wollte ich. Sie liegt gleich neben deiner. Ein wenig lesen wollte ich noch.»
    «Wir schlafen in getrennten Betten? Nicht nur heute, sondern immer?»
    «Es ist besser so, meine ich.»
    Priska schüttelte energisch den Kopf. «Nein, Adam. Es ist nicht besser so. Es ist falsch. Wir müssen die Ehe vollziehen. Hier und heute in unserer Hochzeitsnacht. Wir müssen ein Kind bekommen. Erst dann werden die Leute aufhören zu reden. Du weißt, was es heißt, wenn eine Ehe kinderlos bleibt?»
    Adam nickte. «Es ist eine Strafe Gottes.»
    «Wir können uns kein Gerede leisten. Das kleinste Gerücht reicht aus, um uns alle ins Unglück zu stürzen», entgegnete ihm Priska. Sie senkte die Stimme und fügte hinzu: «Willst du denn gar kein Kind haben? Liegt dir so gar nichts an einem gewöhnlichen, gottgefälligen Leben? Möchtest du keinen Erben?»
    «Doch. Gott weiß, wie sehr ich mir genau dies wünsche.» Adam hob die Arme und ließ sie wieder sinken. «Aber ich kann nicht, Priska», flüsterte er. «Bei Gott, ich wollte, es wäre anders. Ich hätte dich nicht heiraten dürfen.»

Achtes Kapitel
    Der Sommer des Jahres 1503 war heiß und trocken. Das Korn auf dem Feld verdorrte, die kleinen

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