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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Umhang und eine Haube, für den Winter ein Paar einfache Lederschuhe, einen Kamm aus Horn, eine Bürste. Das waren schon alle ihre Habseligkeiten gewesen, sie hatten die Kleidertruhe, eine schlichte Kiste aus einfachem Holz, noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Nachdenklich stand Priska vor ihrem kleinen Besitz. Ob Eva, die ja nun bald ihre Schwägerin war, ihr wohl ein Betttuch leihen würdest? Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als es an ihrer Kammertür klopfte und Eva hereinkam.
    «Du bist schon fertig mit packen?», fragte sie.
    Priska nickte. «Mehr habe ich nicht.»
    Eva ließ sich auf das Bett fallen und begutachtete die wenigen Sachen. Dann stand sie auf. «Komm mit», sagte sie. «Ich möchte dir deine Aussteuer geben.»
    «Meine Aussteuer?»
    Eva lachte auf. «Natürlich. Deine Aussteuer. Du warst mein Mündel, hast einen Anspruch darauf.»
    Sie griff nach Priskas Hand, zog das Mädchen an sich. Ohne es zu wollen, machte Priska sich steif. Der Kuss fiel ihr ein. Sie war jetzt bald eine verheiratete Frau, würde durch den neuen Stand geschützt. Jetzt konnte Eva sie küssen. Es würde ein Kuss unter Schwägerinnen sein. Doch Eva hob nur die Hand, strich Priska eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Du musst jetzt du zu mir sagen und mich beim Vornamen nennen. Wir sind ab morgen Verwandte», sagtesie und umfasste Priskas Gesicht mit Blicken. Dann zog sie das Mädchen doch an sich und strich ihr flüchtig über den Rücken.
    Als sie Priskas Verlegenheit bemerkte, lachte sie ein bisschen. Dann nahm sie sie bei der Hand und zog sie in ihre Kammer. Dort öffnete sie eine Truhe, nahm Leinenzeug heraus, Wäsche, ein Kleid. «Da, nimm, es gehört dir», sagte sie, packte Priska die Sachen auf den Arm, öffnete eine andere Truhe, nahm Bettzeug und Tischtücher, einen Umhang aus Kaninchenfell und eine warme Haube heraus, wühlte in einem kleineren Kasten, legte Haarbänder, einen Reif, zwei feine Gürtel und einen kleinen bestickten Beutel dazu. Aus einer dritten Truhe zog sie noch eine warme Decke, die mit Marderfell abgesetzt war, zwei Kissen, zwei Leuchter und eine Schale hervor, packte alles auf Priskas Arme, sodass das Mädchen fast ganz darunter verschwand. Eva lachte: «Wir müssen noch eine Kleidertruhe holen, damit du dein Hab und Gut unterbringen kannst.»
    Sie nahm Priska die Sachen wieder ab, legte sie auf das Bett, räumte eine ihrer Truhen, die aus kostbarem Holz und mit aufwändigen Schnitzereien versehen war, aus und stapelte Priskas neue Sachen dort hinein.
    Priska stand daneben, sagte kein Wort. Sie betrachtete die Sachen und wusste nicht, ob sie sich darüber freuen durfte. «Sind das alles Geschenke?», fragte sie leise.
    «Aber ja, natürlich. Was dachtest du denn?», fragte Eva verblüfft zurück.
    Priska zuckte mit den Achseln. «Mein Lohn», wollte sie sagen, doch sie schwieg, lächelte zaghaft, half dann beim Packen, strich sanft über den Fellrand der Decke, zog mit dem Finger die Stickereien auf dem Gürtel nach, hielt sichdas Kleid an, setzte den Reif auf das Haar. Eva sah zu, sonnte sich im Licht ihrer Großzügigkeit.
    «Du wirst es gut haben bei Adam», sagte sie. «Er wird dir vielleicht nicht der Ehemann sein, von dem die jungen Mädchen träumen. Aber er wird besser sein als die Ehemänner, die die meisten jungen Mädchen am Ende bekommen.»
    «Ich weiß», sagte Priska.
    Am nächsten Morgen, dem Hochzeitsmorgen, wartete Eva bereits auf sie. Priska wurde in duftenden Ölen gebadet, das Haar wurde über ein Lockenholz gezogen, zum Schluss half Eva ihr das Kleid anzuziehen. Es war aus leichtem, hellgrünem Stoff und fiel in edlen Falten bis auf den Boden. Um den Ausschnitt herum trug es einen Besatz aus Samt.
    «Gefällst du dir?», fragte Eva.
    Wortlos nickte die Braut. Dann ertönten schon die Glocken von St.   Nikolai und riefen zum Gottesdienst.
    «Wir müssen gehen», sagte Eva. «Bist du aufgeregt?»
    Priska zuckte die Achseln. Alles, was in den letzten Tagen mit ihr geschehen war, war ihr so fremd, dass sie gar nicht mehr wusste, was sie fühlte. Doch dann fiel ihr etwas ein.
    «Was ist mit Regina?», fragte sie.
    Eva runzelte die Stirn. «Sie ist in der Küche. In die Kirche kann sie mitkommen, auf dem Fest hat sie nichts verloren. Dietmar braucht sein Abendmahl, und Bärbe wird im Rathaus gebraucht. Es ist nur recht, dass sie sich um das Wohl ihres Bräutigams kümmert. Besser, du verabschiedest dich jetzt von ihr.»
    Priska nickte. So wäre es auch gewesen,

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