Die Wunderheilerin
nickte. Als die Haustür hinter dem Mädchen zugeklappt war, sagte Priska: «Auch mein Leben ist schöner geworden mit dir. Was aber ist für dich das Schöne?»
Adam sah sie verwundert an. Seine Augenbrauen waren leicht zusammengezogen. Doch plötzlich glättete sich die Stirn, seine Augen begannen zu leuchten. «Ich habe einen Freund gefunden», sagte er. «Ich bin nicht mehr einsam.»
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr in die Augen. «Danke, Priska», sagte er und küsste sie. Er barg ihren Kopf an seiner Brust, strich über ihr Haar, streichelte ihre Wange. Und sie lehnte sich gegen ihn, roch seinen Duft nach Seife. Sein Haar, das er bis zu den Schultern trug, kitzelte ihre Haut, seine Hände wärmten sie. Wenn ich nur immer so mit ihm sitzen könnte, dachte sie. Dann wäre ich glücklich. Ich brauche nicht mehr.
Lange saßen sie so, hielten einander, dann fragte Adam: «Und du? Was bin ich für dich? Gelingt es mir, dich froher sein zu lassen?»
Priska richtete sich auf, nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust. «Ich bin stärker mit dir. Die Sonne scheint heller, der Winter ist weniger kalt. Und ich habe endlich eine Aufgabe, die mir Freude macht. Du weißt nicht, wie gern ich dir zur Hand gehe, deine Gehilfin bin.»
«Hat dir nie ein Freund gefehlt?», fragte er.
Priskas Blick verlor sich im Fernen. «Ein Freund?»,fragte sie. «Ich weiß nicht, was ein Freund ist. Ich hatte nur einen Zwilling.»
«Dann möchte ich dein Freund sein», sagte er.
«Das ist mehr, als ich je hatte», erwiderte sie. «Aber einmal nur möchte ich dein Begehren wecken.» Sehnsucht lag in Priskas Stimme. Doch sie wollte die frohe Stimmung nicht verderben, darum stand sie schnell auf, um den Worten ihre Wirkung zu nehmen. Sie wollte heute Eva besuchen, die tatsächlich ihre Werkstatt aufgegeben hatte.
Fröhlich lief sie über den Markt, erwiderte die Grüße der anderen. Einer zog die Mütze vor ihr. Eine andere, ein altes Weiblein aus der Vorstadt, segnete sie und wollte ihr ein paar Holzscheite schenken. «Nehmt, nehmt nur, junge Frau. Der Doktor und Ihr sollt es warm haben, wenn die Herbststürme kommen.»
«Dank Euch schön, Mütterchen», erwiderte Priska. «Uns ist recht warm. Macht Euch lieber ein schönes Feuerchen davon und wärmt Euch die Knochen.»
Die reichen und angesehenen Bürger aber grüßten nur knapp. Es gab sogar einige, die Priskas Gruß nicht erwiderten. Noch immer war das Gerede um Adam nicht verstummt. Zwar hatte die Stadt längst ein anderes Thema gefunden, aber das Gedächtnis der Leipziger Bürger speicherte allen bösen Klatsch über lange Zeit.
Priska störte sich nicht daran. Sie, die Henkerstochter, wurde besser behandelt, als sie es sich je erträumt hätte. Zufrieden ging sie die Hainstraße hinab, bemerkte nicht den Blick des jungen Mönches, der aus der Barfüßergasse kam, bei ihrem Anblick stehen blieb und ihr nachdenklich hinterherschaute.
Eva hatte schon auf sie gewartet. «Und?», fragte sie undstrich dem kleinen Aurel, der auf ihrem Schoß saß, über den Kopf. «Wie steht es bei euch? Hat Adam Gefallen an der Ehe gefunden?»
Priska errötete, machte eine vage Handbewegung und nickte Bärbe zu, die mit einem Krug Most in die Stube gekommen war. «Wie geht es dir? Fehlt dir die Silberschmiede nicht?»
Eva lachte. «Seit drei Monaten schon ist die Schmiede geschlossen. Manchmal fehlt sie mir tatsächlich. Ich vermisse das Schimmern der Metalle, den Geruch und das Glücksgefühl, wenn unter meinen Händen etwas Neues entstanden war. Und dir, fehlt dir die Werkstatt?»
Priska schüttelte den Kopf. Sie dachte an ihre Zeit als Lehrmädchen zurück. Beim ersten Hahnenschrei schon war sie aufgestanden, noch vor der Magd, hatte die Wassereimer gefüllt und in die Werkstatt getragen, Brennholz für die Öfen geholt, die Werkzeuge zurechtgelegt. Den ganzen Tag über hatte sie gearbeitet und war am Abend die Letzte gewesen, die die Werkstatt gekehrt, die Brennöfen gelöscht, die Werkzeuge gesäubert und die Lederschürzen ausgebürstet hatte.
«Nein», sagte Priska. «Es ist merkwürdig, aber ich vermisse die Werkstatt nicht.»
Eva zog die Augenbrauen zusammen. «Nicht? Du warst eine gute Silberschmiedin, Priska. Hat dir die Arbeit keinen Spaß gemacht?»
Priska zuckte die Achseln. «Eine Arbeit ist so gut wie eine andere», log sie, um Eva nicht zu kränken. Denn das, was sie jetzt tat, machte ihr bedeutend mehr Freude als alles, was sie je in der Silberschmiede
Weitere Kostenlose Bücher