Die Wunderheilerin
Blick, ehe sie sagte: «Aber ich komme wieder.»
Renate betrachtete Priskas Gesicht. «Ich kenne Euch», sagte sie. «Habe Euch schon gesehen. Wer seid Ihr?»
Priska zögerte. «Die Frau des Doktors bin ich.»
Niemand sprach weiter, doch die Blicke, die zwischen Priska und Renate gewechselt wurden, hatten ihre eigene Botschaft. Jedes klare Wort hätte den Tod bedeuten können. Damit wurden Abtreibungen und Verhütung bestraft. Die Aufgabe der Frau war es, zu gebären. Selbst, wenn es ihren eigenen Tod bedeutete.
Priska drückte Renate die Hand. «Ich komme wieder.»
Renates Rücken straffte sich. «Ja, kommt wieder. Wartet nicht, bis mein Bastard, dessen Vater ich nicht einmal beim Namen nennen kann, geboren ist.»
Priska sah zu Adam. Mische ich mich in deine Arbeit ein?, fragte sie stumm.
Adam schüttelte den Kopf, dann versorgte er Renates Ausschlag, packte seine Tasche, nahm Priska am Arm und ging mit einem Gruß. Als sie an der Tür waren, kam eine der Hübschlerinnen ihnen nachgelaufen, hielt Priska am Ärmel und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Priska wurde rot. Sie riss sich mit ungewohnter Heftigkeit los und folgte Adam.
«Willst du wirklich wieder ins Frauenhaus gehen?», fragte er, als sie ein paar Schritte gegangen waren. «In dieser Zeit? In der man für alles und nichts verdächtig wird?»
Priska dachte an Renate, an Margarete, an das Leben, das ihr erspart geblieben war. Jetzt wusste sie, was ihre Aufgabe war. Warum Gott die Silberschmiedin vor Jahren in die Vorstadt geschickt hatte. Einen Augenblick dachte sie an ihre Schwester. Sollte sie Adam davon erzählen? Nein, er würde es nicht verstehen, später vielleicht. Jetzt ging es darum, ihn von ihrer Aufgabe zu überzeugen.
«Es gibt viele Mittel, ein Kind zu verhüten», begann Priska. «Ist es ein Verbrechen, das Leben der Frauen zu schützen?»
«Nein, Priska, das ist es nicht. Das Leben der Dirnen ist schwer genug. Eine Erleichterung wäre es für sie, nicht jedes Jahr gebären zu müssen. Die Auswirkungen einiger dieser Verhütungsmittel habe ich allerdings mit eigenen Augen gesehen. Die meisten sind ungeheuer schmerzhaft und verursachen Entzündungen. Viele Hübschlerinnen – und nicht nur die – haben schon versucht, sich das Loch mit Wolle, die mit Eiweiß verklebt war, zu stopfen. Schmerzen hatten sie, gestunken haben sie, und schwanger sind sie am Ende doch geworden.»
Priska schüttelte den Kopf. «Nein, nein, keine Wolle. Kein Eiweiß.»
«Was dann?», fragte Adam. «Von einer Heilkundigen habe ich gehört, die empfohlen hat, das Lab eines Hasen zu tragen. Zwillinge hat eine der Frauen danach bekommen! Zum Glück wurden sie tot geboren. Da hat die Heilerin den toten Kindern die Finger abgeschnitten, sie ausbluten lassen und dann der Frau empfohlen, sie solle sie an einer Schnur um den Hals tragen. Aber geholfen hat auch dies nicht», rief Adam aufgebracht. «Alle Mittel, von denen ich gehört habe, haben den Frauen Schaden gebracht.»
«Ich weiß», bestätigte Priska. «Der Henker hat den Huren früher den Urin eines Schafes zu trinken gegeben. Gekotzt haben sie über sieben Beete. Dann hat er ihnen geraten, sie sollen einen Holzring tragen, der ihnen das Loch verstopft. Geschrien haben sie vor Schmerz, als der nächste Freier seinen Schwanz in sie rammte. Ich habe gehört, wie sie bei uns zu Hause der Kräuterfrau ihr Leid geklagt haben. Tagelang konnten sie nicht sitzen und haben geblutet wie Schweine.»
Adam nickte: «Zu mir ist eine gekommen, der man einen Ring aus Leder eingeführt hatte, einer anderen hatte man den Schoß mit Gras gefüllt. Sogar einen Stein habe ich schon im Inneren einer Wanderhure gefunden. Den Frauen, die jetzt im Hurenhaus leben, hat man gesagt, sie sollen sich mit angezogenen Knien hinsetzen und siebenmal niesen, sobald ihnen der Samen in den Schoß gekommen ist. Geschlagen haben die Freier sie dafür.»
«Es muss eine andere Lösung geben», erwiderte Priska. «Es kann nicht sein, dass die Frauen Schmerzen erleiden und vor der Zeit sterben, nur weil sie zu arm sind, um ein gottgefälliges Leben zu führen.»
Der Gedanke an ihre kleine Schwester machte Priska unruhig.Sie spielte unablässig mit dem Gürtel, der ihr Kleid schmückte. Es musste einfach einen Weg aus der Misere geben. Wie zu sich selbst sprach sie weiter: «Ich weiß, dass es eine günstige Zeit gibt, um schwanger zu werden. Nun, wenn dem so ist, dann muss es auch eine ungünstige Zeit geben. Eine Frau blutet alle vier Wochen. In
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