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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wenig Salbe und ein Kraut, das gegen Fieber hilft, dazu.»
    Adam nickte, klopfte dem Pfleger leicht auf die Schulter und ging.
    Danach musste Adam noch ins Gefängnis. Dort saß eine junge Frau ein, die der Hexerei beschuldigt wurde. Adam war sich sicher, dass sie unschuldig war. «Sie hat schwarzes Haar und ein blaues und ein braunes Auge. Daher rührt bestimmt ihr Unglück. Was sich die Leute nicht erklären können, muss vom Teufel kommen.»
    «Ist sie sehr zerschunden?», fragte Priska.
    Adam nickte. «Man hat sie auf die Streckbank gelegt. Die Knochen sind aus den Gelenken gesprungen. Auch die Daumenschrauben hat man ihr angelegt.»
    Priska verzog das Gesicht bei diesen Worten. «Was braucht sie? Was können wir ihr geben?»
    Adam schüttelte den Kopf. «Nichts. Es ist verboten, die Gefolterten mit Tränken, Salben und Binden zu versorgen. Alles, was ich machen kann, ist, zu ihr zu gehen, ihr die Hand zu halten, den Wasserkrug an ihre Lippen zu setzen, das schimmelige Brot ins Wasser zu tunken und vorzukauen, bevor ich sie mit dem Brei füttere, denn man hat ihr die Zähne ausgeschlagen und die Kiefernknochen gebrochen.»
    Priska strich ihm über den Arm. Sie sah den Schmerz in seinem Gesicht. Hilflosigkeit konnte Adam nur schwer ertragen.
    «Komm bald nach Hause», bat sie, dann wandte sie sich um und ging über den Marktplatz hinüber zur Hainstraße, um der Silberschmiedin einen kurzen Besuch abzustatten.
    «Selten kommst du, Priska. Ich hätte dich gern öfter um mich», sagte Eva und setzte der Schwägerin den kleinen Aurel auf den Schoß. Priska wiegte das Kind, roch an ihm, strich ihm über das Haar.
    «Ich bin gern bei dir, Eva. Aber ich habe wenig Zeit.»
    «Ich weiß. Es ist gut, dass Adam dich hat.»
    «Und du? Wie geht es dir?»
    «Och», erwiderte die Silberschmiedin. «Stiller ist es, seit ihr alle aus dem Haus seid.»
    «Hat dir die Wallfahrt geholfen?»
    Eva zuckte die Achseln. «Ich beklage mich nicht. Es gibt viele, die weitaus schlechter dran sind als ich.» Sie zeigte auf ein kleines Säckchen mit Guajak. «Ich bekomme häufig Besuch, weißt du. Adam kommt zu Gast. Aber nicht nur er.»
    Priska sah das Strahlen in Evas Augen. «Johann von Schleußig, nicht wahr? Er ist es, der dir das Guajak bringt.»
    Eva nickte und errötete ein wenig. Priska lächelte. «Er tut dir gut, Eva. Du siehst so jung und frisch aus, bist so ruhig und heiter, wie ich dich gar nicht kenne.»
    «Und du, Priska», fragte Eva im Gegenzug, «bist du glücklich mit Adam?»
    Priska sah für einen Augenblick in die Ferne, bevor sie antwortete: «Ja, Eva. Ich bin glücklich mit Adam. Glücklich, einen Mann gefunden zu haben, der mich wirklich braucht. Mich, Eva, verstehst du? Ich bin ihm wichtig.» Sie lächelte ein wenig, dann fügte sie hinzu: «Außerdem habe ich durch ihn eine Aufgabe in der Welt gefunden, die mich erfüllt.»
    Eva nickte. «Ja, ich habe von deinen Taten gehört. Du hast für das Kind der Bademagd eine Arznei gemacht, die ihm geholfen hat. Und auch der Nadelmacher spricht mit großer Hochachtung von dir. Wunderheilerin nennt erdich gar. Er erzählt jedem, der es hören will, dass du nicht wie die Ärzte heilst, sondern mit der Hilfe Gottes. Er, der Herr, hätte dir diese besondere Gabe gesandt.»
    Priska lächelte verlegen. «Ja, auch andere sind inzwischen zu mir gekommen. Ich gebe ihnen Tränke aus Pflanzen. Doch das ist nicht das Wichtigste. Für jedes Leiden habe ich ein Gebet, welches ich den Kranken sagen lasse. Für die Krankheiten der Augen lasse ich zur heiligen Odilia beten, für ansteckende Leiden zu Maria Magdalena, bei Fallsucht zu Cyriakus und bei Frauenleiden zur Mutter Gottes.»
    Sie verschwieg Eva, wie schwer es ihr immer noch fiel, die toten Hunde vom Abdecker zu holen und daraus das Schmalz herzustellen oder des Nachts auf dem Schindanger herumzukriechen und Maden zu sammeln. Inzwischen hatte sie ein bisschen mit dem Hundefett experimentiert. Einmal hatte sie Thymian zugesetzt, ein anderes Mal Zwiebeln und Rosmarin. Zwei Sorten stellte sie inzwischen her: eine mit Minze, die auf der Brust aufgetragen wurde, und eine mit Kräutern, die man auch essen konnte.
    «Und sonst, Priska? Wie geht es mit Adam als Ehemann?»
    Priska spürte Evas fragenden Blick. Sie wusste, worauf Eva hinauswollte, aber mit einer Antwort konnte sie nicht dienen. Nein, sie wusste nicht, ob sie jemals ein Kind bekommen würde, ob sie jemals eine Existenzberechtigung in Form einer gefüllten Wiege haben würde. Sie

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