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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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küsste den kleinen Aurel auf das Haar, gab ihn Eva wieder und verabschiedete sich.
     
    Als sie ihr eigenes Haus, das sich in der Klostergasse befand, erreichte, hatte die Dämmerung eingesetzt.
    Kurz nach ihr kam auch Adam. Nach dem gemeinsamen Essen – die Magd war schon entlassen – saßen sie bei einem Becher Wein in der Wohnstube und sprachen über den Tag. Schließlich fragte Adam: «Du wolltest mit mir über die Schwangerschaftsverhütung reden.»
    Priska nickte. «Ich habe nie gesehen, wie die Kräuterfrau den Frauen aus dem Hurenhaus die Mutterringe eingesetzt hat. Aber ich habe darüber nachgedacht. Und dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen: Die Kräuterfrau, Amalie heißt sie, hat für jede Frau dieselbe Mutterringgröße verwandt. Aber die Frauen sind unterschiedlich. Eine ist dünn, die andere kräftig, eine hat ausladende Hüften, die andere ein schmales Becken. Gewiss sind auch ihre Schöße nicht alle gleich groß. Deshalb muss man den Ring, wenn er wirken soll, dem Körper der Frau anpassen.»
    Adam nickte nachdenklich. «Du könntest Recht haben, aber wie willst du die Größe ermitteln?»
    Priska freute sich über Adams Anteilnahme. «Bienenwachs», erklärte sie. «Mutterringe aus Bienenwachs. Sie sind geschmeidig und passen sich der Form des Körpers an.»
    Priska unterbrach sich und pustete aufgeregt eine Haarsträhne aus ihrer Stirn. Dann griff sie nach Adams Hand.
    «Jetzt musst du mir helfen. Ich weiß nicht besonders gut, wie eine Frau im Inneren aussieht. Ich habe auch keine Aufzeichnungen darüber gefunden. Darum möchte ich den Ring an mir testen. Ich muss wissen, wie sich der Mutterring im Schoß anfühlt, muss wissen, ob er drückt, Schmerzen bereitet oder Entzündungen verursacht.»
    «Warte, nicht so schnell, Priska. Ich weiß nicht viel über die Wärme im weiblichen Schoß, doch bedenke, dass Wachs sich verformt.»
    Priska wischte seine Einwände beiseite. «Nicht, wenn man ein Gitter aus Draht baut, das man dann in Bienenwachs taucht.»
    Adam nickte und sah nachdenklich in die Ferne.
    Da fragte sie leise: «Adam, du musst mir nicht nur gedanklich helfen. Du musst noch viel mehr.»
    «Alles, was du willst, meine Liebe.»
    Priska schluckte, wurde rot, öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Schließlich senkte sie den Blick auf den Boden und sagte leise: «Ich sagte schon, dass ich den Mutterring an mir testen will. Die Passform, das Gefühl und alles andere. Aber du musst ihn mir einsetzen. Du musst dich mit meinem Schoß vertraut machen.»
    Nach diesen Worten herrschte Stille.
    Zögernd sah Priska hoch. Adam wich ihrem Blick aus. «Ich   … ich bin vielleicht nicht der Richtige dafür   … weißt du», stotterte er.
    Plötzlich wurde Priska wütend. Wie ein Staudamm brach der ganze Ärger der letzten Wochen aus ihr heraus.
    «Du sagst, du bist Arzt geworden, weil du die Menschen liebst, Adam, weil du eine Schuld abtragen willst? Pah! Ich glaube dir nicht mehr. Denn dann würdest du mir helfen, den Ring zu testen. Weil ich deine Frau bin und weil ich nur um Haaresbreite dem Hurenhaus entkommen bin. Aber du denkst immer nur an dich und an deine Schuld. Dabei geht es doch zur Abwechslung gar nicht um dich! Sondern darum, dass du mir helfen sollst!»
    Die Worte kamen laut und hart. Priska sah, dass Adam zusammenzuckte. «Du bist Arzt», fügte sie versöhnlich hinzu. «Und ich bin in diesem Fall nicht deine Frau, sondern deine Mitstreiterin. Du solltest alles vergessen, was gemeinhinzwischen Mann und Frau sein sollte. Begegne mir dieses eine Mal als Arzt, der die Menschen liebt und dafür die eigenen Empfindlichkeiten außer Acht lassen kann.»
    Adam schaute auf, seufzte. «Du hast Recht, Priska. Und ich weiß es. Also gut, ich werde tun, was du von mir erwartest. Eines aber möchte ich doch noch wissen: Warum ereiferst du dich so für die Frauen?»
    Priska holte tief Luft. Ihre Schwester kam ihr in den Sinn. Nein, sie durfte Adam nichts davon sagen. Schließlich sagte sie: «Die Hübschlerinnen haben in Leipzig mehr zu sagen, als manch einer wahrhaben will. Sie reden mit den Freiern, die aus allen Häusern der Stadt des Nachts zu ihnen schleichen. Sie erfahren viel. Wir dürfen sie nicht in dem Glauben lassen, ich hätte das Geheimnis, eine Schwangerschaft zu verhindern. Ein solches Wissen ist strafbar, Adam. Reden sie aber, der Doktor sei nicht einmal in der Lage, die eigene Frau zu schwängern, so schaden sie uns noch in zweifacher Hinsicht: dir als Arzt und mir als Ehefrau.

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