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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Krakau kommt er. Und», sie zögerte einen Augenblick, «und er ist Jude.»
    In diesem Moment kam Johann von Schleußig in die Küche.
    Er betrachtete den Mann, der mit geschlossenen Augen und leichenblassem Gesicht an der Wand lehnte. «Ein Jude also», sagte er, und seine Stimme verhieß nichts Gutes.
    Dann wandte er sich an Priska.
    «Warum habt Ihr ihn hergebracht, Kopperin?»
    «Er ist verletzt, braucht Hilfe. Zu uns kann ich ihn nicht bringen. Ihr wisst selbst, dass die Leute so schon genug über uns reden.»
    Johann von Schleußig runzelte die Stirn. «Ein Jude, Priska! Das ist verboten!»
    «Ich weiß, Priester.» Sie reckte das Kinn und sah Johann von Schleußig direkt in die Augen. «Juden sind Menschen wie alle anderen auch. Wart Ihr es nicht, der gesagt hat, ein jeder sei gleich vor Gott?»
    Johann von Schleußig nickte. «Ja, schon. Aber er ist ein Jude. Wahrscheinlich ein Geldverleiher, der Wucherzinsen nimmt und sich am Elend der Christenmenschen bereichert.»
    «Seit wann beurteilt Ihr die Menschen nach dem, womit sie ihr Geld verdienen? Juden dürfen kein Handwerk ausüben,die Universitäten sind ihnen verschlossen. Aber von irgendetwas müssen sie ja auch leben.»
    Johann von Schleußig betrachtete den blassen Mann ausgiebig, dann kratzte er sich am Kinn und sagte leise und irgendwie unschlüssig: «Die Juden haben unseren Herrn Jesus verraten. Judas Ischariot ist schuld daran, dass er am Kreuz gestorben ist.»
    «Jesus   … war   … war auch ein Jude», stöhnte plötzlich der Fremde.
    Johann von Schleußig runzelte die Stirn. Dann hob er die Arme und ließ sie sogleich hilflos fallen.
    «Für theologische Streitgespräche ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt», stellte Eva fest. «Ob Jude oder Christ, das ist mir gleich. Hier ist ein Mensch, der Hilfe braucht. Für alles andere ist später noch Zeit.»
    Sie wandte sich an die Magd: «Mach Wasser heiß und fülle einen Zuber. Die Wunden müssen gereinigt werden, der Mann gewaschen. Dann hole altes Leinenzeug, damit wir Verbände machen können. Ein Becher roter Wein mit einem Ei darin und einem Löffel Honig kann dem Mann auch nicht schaden.»
    Zu Priska aber sagte sie: «Und du hole meinen Bruder. Er muss die Schulter einrenken.»
    Priska nickte, froh, dass Eva den Fremden aufnahm. Sie raffte ihren Umhang zusammen und wollte gerade zur Tür hinaus, als der Priester sich einmischte. «Bleibt, Priska. Eva muss sich um Aurel kümmern. Ihr habt von uns allen am meisten Erfahrungen in der Heilkunde. Es ist besser, wenn Ihr Euch um den Fremden kümmert, bis Adam kommt. Ich werde ihn holen.»
    Die Magd brachte den Wein, Eva reichte Priska den Becher.«Johann hat Recht, ich muss nach meinem Sohn sehen. Rufe mich, wenn du mich brauchst. Ansonsten kann die Magd dir zur Hand gehen.»
    Priska nickte, legte den Umhang ab. Sie trat zu Aron, der noch immer mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte. Behutsam, um ihn nicht zu erschrecken, strich sie über seine Wange. Er zuckte. «Pscht», machte sie wie zu einem kleinen Kind und bemerkte dabei nicht, dass ein Lächeln ihre Züge ganz sanft werden ließ. «Pscht, es wird alles gut.»
    Aron öffnete die Augen und sah Priska an. Wieder versanken ihre Blicke ineinander.
    Die Magd kam herein, knallte den Eimer auf den Boden, goss das Wasser in den Zuber, legte Seife daneben und das Leinenzeug.
    «Braucht Ihr sonst noch etwas?», fragte sie grämlich. Der Blick, den sie Aron zuwarf, war voller Misstrauen. «Ein Jude in diesem Haus. Zustände sind das!», murmelte sie leise und schüttelte den Kopf.
    «Danke. Wir haben alles», sagte Priska.
    «Kann ich gehen? Es wartet noch mehr Arbeit auf mich», murrte die Magd.
    Priska nickte, die Tür flog hinter der Magd ins Schloss.
    Auf einmal war Priska mit Aron allein. Ich werde ihn waschen müssen, dachte sie unsicher. Ihr Blick fiel auf den Mann. Er lächelte, und Priska schien es, als könne er ihre Gedanken lesen.
    Sie räusperte sich, senkte den Blick und tauchte ihre Hand in den Zuber, um die Wärme des Wassers zu prüfen.
    «Ihr solltet Euer Wams und Euer Hemd ablegen», sagte sie.
    «Ich kann nicht. Meine Schulter   …»
    Priska trocknete sich sehr langsam die Hände ab, als hoffe sie, dass einer hereinkäme, der ihr diese Arbeit abnehmen würde. Gleichzeitig sehnte sich etwas in ihr danach, seine Haut zu berühren.
    Wieder räusperte sie sich, dann machte sie sich daran, ihm das Wams abzustreifen, wobei sie besonders auf seine verletzte Schulter achtete. Er

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