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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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leise seinen Namen vor sich hin gesprochen. Aron. Der Name klang dem Namen ihres Mannes so ähnlich, und doch lagen Welten zwischen den beiden Männern. Aron. Sie hatten wenig miteinander gesprochen, aber sie hatten sich viel erzählt. Die stumme Unterhaltung, bei der Eva stets anwesend war und von der sie doch nichts hörte, begann immer gleich.
    Sie kam herein und sah in seine Augen. Seine Lippen kräuselten sich, die Falten zwischen den Brauen verschwanden.
    «Doktorsfrau!», sagte er, mehr nicht.
    «Aron!», erwiderte Priska.
    Dann legte Aron seine Hand auf sein Herz und sah sie an. Und Priska fuhr sich mit der Hand an die Kehle und lächelte.
    «Geht es Euch gut?», fragte sie dann.
    «Ja. Besonders jetzt.» «Braucht Ihr etwas?»
    «Ich habe mehr als jemals im Leben und weniger zugleich», antwortete er.
    «Ich werde Euch den Verband wechseln.»
    Ohne weitere Worte öffnete Aron sein Hemd, legte seine Brust frei, offenbarte seine Wunde, als wäre sie der Sitz seines Lebens. Und immer berührte Priska ihn mit der ganzen Fläche ihrer Hand, drückte sie auf sein Herz, ganz leicht nur, und kümmerte sich erst dann um die Wunde.
    Sie dachte an ihn, wo sie ging und stand. Sie sah seinenBlick in der Menge auf dem Markt, hörte seine Stimme inmitten des Lärms, der aus einer Schankstube drang. Selbst die Schatten an den Wänden erinnerten sie an ihn.
    Nein, sie wollte nicht an ihn denken. Sie hätte es bei Gott geschworen, doch sie konnte nicht anders. Sie war nicht Herrin ihrer Wünsche. Zum ersten Mal bekam sie eine leise Ahnung von dem, was Adam ihr einst gesagt hatte. Man kann die Liebe nicht lassen; selbst, wenn man es will.
    Und nun würde sie ihn heute nicht sehen. Traurigkeit schlich sich ins Priskas Herz. Johann bemerkte es nicht, doch nach dem Essen brachte er das Gespräch wieder auf den Juden.
    «Er kann nicht mehr länger hier bleiben. Es ist nicht gut für Eva, einen Fremden im Haus zu haben. Die Magd wird die Neuigkeit schon weitergetratscht haben. Und auch für dich, Adam, wäre es besser, der Jude verschwände.»
    «Wo soll er denn hin?», fragte Priska. «Er hat nichts außer Wunden.» In ihr wurde alles kalt.
    Adam legte ihr seine Hand auf den Arm, damit sie sich beruhigte, doch Priska riss sich los und herrschte Johann von Schleußig an: «Ihr könnt doch einen Hilflosen nicht vor die Tür setzen! Oder sind alle Eure Worte über Nächstenliebe und Christenpflicht nur leere Versprechungen?»
    «Priska, bitte!»
    Adams Stimme klang streng, und Priska senkte den Blick. Er hat ja Recht, dachte sie. Es ist gefährlich für uns.
    «Er ist ein Jude. Einen Anspruch auf Christenpflicht hat er nicht. Es sei denn, er bekehrt sich», stellte Johann von Schleußig fest.
    Priska blickte den Priester entsetzt an. «Er ist einMensch! Er glaubt an denselben Gott wie wir!», schrie sie. Ihre Augen funkelten, und über ihren Hals und den Brustansatz hatten sich rote Flecke ausgebreitet.
    «Ich werde mich um Aron Salomon kümmern», entschied Adam und griff wieder nach Priskas Arm. «Das kleine Haus der alten Ursula aus der Vorstadt steht leer. Aron kann getrost eine Zeit lang dort bleiben. Auch vor Verfolgung braucht er keine Furcht zu haben; immerhin hat er die Stadttore damit vor und nicht hinter sich.»
    «Ja, das ist eine gute Idee», stimmte Priska zu. «Ich werde seine Verbände wechseln, dafür sorgen, dass er genügend Lebensmittel hat.»
    «Gut. Adam darf aber trotzdem nicht zu ihm gehen», wendete der Priester ein. «Damit bringt er sich selbst in Gefahr.»
    «Aber er braucht noch ärztlichen Beistand!», widersprach Priska. «Noch ist er nicht vollkommen geheilt.»
    «Dann wirst du dich allein um ihn kümmern müssen», sagte Adam und sah Priska mit einem Blick an, der ihr wie ein Abschied schien. «Du wirst zu ihm gehen. Es wird nicht auffallen, da du ja ohnehin öfter im Hurenhaus zu tun hast.»
     
    Die Hübschlerinnen! Priska hatte sie in den letzten Tagen fast vergessen und gar nicht mehr daran gedacht, dass sie ihnen etwas versprochen hatte: Sie wollte sich um die Lust kümmern. Aber wie sollte sie das anstellen?
    Ich kann darüber nachdenken, so viel ich will, die Lösung wird nicht über den Verstand kommen, erkannte sie schließlich und machte sich auf den Weg zu den Hübschlerinnen. Es war wieder zu einer Schlägerei im Hurenhaus gekommen. Zwei Scholaren hatten zu den Knüppeln gegriffenund um sich geschlagen, als die Wirtin sie mangels Zahlkraft hinauswerfen wollte.
    Als sie ins Hurenhaus kam,

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