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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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stöhnte dabei, lächelte aber weiter tapfer.
    Priska wich seinem Blick aus. Sie legte das Wams, welches völlig verdreckt und zerrissen war, übertrieben ordentlich auf die Wandbank. Sie faltete es, richtete den Kragen, zupfte an den Ärmeln.
    «Das Wasser wird kalt werden, wenn Ihr nicht gleich beginnt», unterbrach Aron ihre Tätigkeit.
    Priska holte ganz tief Luft. Ihr Herz schlug laut und hart. Jetzt konnte sie nicht mehr davonlaufen. Jetzt musste sie seine Haut berühren. Ihre Hände zitterten. Was ist los mit mir?, fragte sie sich, aber die Antwort wollte sie besser nicht wissen.
    Mit spitzen Fingern zupfte sie an dem Leinen. Doch dann, als ihre Fingerspitzen mit seiner Haut in Berührung kamen, wäre sie beinahe zurückgezuckt, als hätte sie sich verbrannt.
    Seine Haut schien mit ihr zu sprechen. Berühre mich, sagte die Haut. Streichle mich. Priska schüttelte den Kopf. «Unfug», dachte sie und bemerkte nicht, dass sie laut sprach. «Haut kann nicht sprechen. Das bilde ich mir nur ein.»
    «Doch», erwiderte Aron. «Die Haut kann sprechen. Habt Ihr das noch nicht erfahren? Und sie kann sogar noch mehr: Sie kann Erinnerungen speichern.»
    Priska wurde rot. Sie fühlte sich ertappt, hatte beinahe den Eindruck, als kenne Aron ihre Gedanken bereits vor ihr.
    Etwas gröber als beabsichtigt riss sie an seinem Hemd, sodass er aufstöhnte. Endlich hatte sie es geschafft, ihm das Hemd auszuziehen. Mit bloßem Oberkörper saß er da. Priska tunkte den Leinenlappen in das Wasser, wrang ihn aus, kam näher. Er sah sie an, und diesmal gelang es ihr nicht, seinem Blick standzuhalten. Sie fuhr mit dem Lappen über sein Gesicht, versperrte damit die Sicht.
    Doch ihre eigenen Blicke konnte sie nicht stoppen. Sie glitten über seinen Oberkörper. Ein großes Gefühl von Zärtlichkeit überkam sie. Priska war verwirrt. Was war bloß los mit ihr? Was brachte sie so aus der Fassung? So kannte sie sich gar nicht.
    Als sie die Haustür hörte, war sie froh und enttäuscht zugleich. Kurz darauf betraten Adam und der Priester die Küche.
    «Gott zum Gruße, Fremder. Ich bin der Stadtarzt und gekommen, um Euch zu versorgen», sagte Adam freundlich.
    «Ich», erwiderte Aron leise und sah dem Arzt fest in die Augen, «bin Aron Salomon und grüße und danke Euch.»
    Adam betrachtete die Verletzungen, die Wunde, die Schulter, dann nickte er und sagte: «Ich werde Euch jetzt wehtun müssen. Das Gelenk muss wieder eingerenkt werden. Ihr werdet starke Schmerzen dabei haben.»
    Priska wusste das alles. Sie war schon oft dabei gewesen, wenn jemandem die Schulter eingerenkt wurde. Aber dieses Mal hielt sie nichts mehr in der Küche.
    Zart berührte sie Adams Hand. «Wenn du mich nicht brauchst, so schaue ich nach Eva», sagte sie und wandte sich zum Gehen, als Adam nickte.

Fünfzehntes Kapitel
    Die Kirche war nicht besonders voll. Priska schien es sogar, als wären einige Plätze, die sonst immer besetzt waren, heute leer. Doch das verwunderte sie nicht. Die Leipziger – und nicht nur sie – hingen an dem, was sie kannten.
    Und Martin Luther, Augustinermönch und frisch gebackener Doktor der Theologie, kannten sie nicht.
    Johann von Schleußig aber, der Doktor Luther bei einem Besuch in Wittenberg begegnet war, war angetan von ihm. «Er ist einer von uns», hatte er begeistert berichtet, als er aus Wittenberg zurückkam. «Er sucht nicht nur nach der neuen Zeit; er ist die neue Zeit. Wir werden noch viel von ihm hören, ihr werdet sehen.»
    Priska betrachtete den Mönch aufmerksam und musste lächeln. Er sah genauso aus wie die Mönche, die sie kannte: nicht besonders groß, aber von stattlichem Umfang, das Gesicht teigig und von der ungesunden Farbe derer, die die meiste Zeit ihres Daseins hinter dicken Mauern verbrachten.
    Er sieht aus, dachte sie, wie einer, der das Alte noch mit Händen und Klauen verteidigt, wie einer, der Wasser predigt und Wein säuft, zur Tugend aufruft, aber die Sünde nicht nur aus der Bibel kennt.
    Sie lehnte sich zurück und wartete gespannt, was dieser dicke Mönch zu predigen hatte.
    Luther sprach überraschend leise, und Priska hatte Mühe, ihn zu verstehen, doch dann, als er über den wahren Glauben sprach, der einzig aus dem Glauben komme, war ihre Aufmerksamkeit geweckt. Eine Bürgersfrau neben ihr schnarchte leise, doch Priska saugte die Worte des Theologen auf, als wären sie Nektar.
    «Nicht die Ablässe vergeben Euch Eure Schuld. Ablasshändler sind die Beutelschneider der Kirche», wetterte er und

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