Die Wunderheilerin
waren die Hübschlerinnen gerade beim Aufräumen. Überall lagen zerbrochene Bänke und kaputtes Geschirr. Priska sah auf den ersten Blick, dass zwei der Frauen Verletzungen hatten. Die eine, deren Namen sie nicht kannte, trug ein riesiges Veilchen im Gesicht. Die andere, deren Name Sophie lautete, hatte eine aufgesprungene Lippe.
Priska behandelte die Wunden und sah sich nach Margarete um. Das Mädchen war nicht da. «Wo ist die Kleine, der es bei meinem letzten Besuch nicht so gut ging?», fragte sie.
Sophie zuckte mit den Schultern. «Es geht ihr noch immer nicht besser. Ich fürchte, sie ist für unsere Arbeit nicht gemacht. Besser wäre es, sie fände anderswo ihr Auskommen.»
«Das wäre für uns alle besser», rief eine andere dazwischen und wischte sich die Hände am Kleid sauber. «Aber wir haben nun mal keine Wahl. Wenn wir hier weggehen, dann verhungern wir.»
Die anderen nickten. Eine fügte hinzu: «Wenigstens haben wir genug zu essen, und es ist warm. Ich bin sicher, manch andere ehrbare Frau hat es schlechter als wir. Wie viele werden von ihren Männern geschlagen? Wie vielen wird nachts Gewalt angetan? Nein, nein, ich werde mich nicht beklagen. Es hätte schlimmer kommen können.»
Wieder nickten die anderen. Dann begann eine ein Lied, die Frauen stimmten ein, und schon bald herrschte eine Fröhlichkeit hier, die gespielt sein mochte, aber doch der Seele gut tat.
Als sie das Haus verließ, vergaß sie – wie jeden ersten Montag im Monat – ihren Weidenkorb, in dem Bienenwachs war. Kaum war sie ein Dutzend Schritte gegangen, da wurde ihr Name gerufen. Diesmal war es Margarete, die ihr den Korb zurückbrachte. Leer war er nun. Nein, nicht ganz. Die Hübschlerinnen hatten wie meist ein selbst gemachtes Blumengebinde und ein paar Kupferstücke hineingelegt.
«Hier, Euer Korb, Ihr habt ihn vergessen», sagte Margarete.
Priska dankte und betrachtete die junge Frau. «Wie geht es Euch? Hat das Schmalz geholfen?», fragte sie.
Margarete nickte. «Ja, es ist besser geworden.»
«Gut», erwiderte Priska und wollte weitergehen, doch das Mädchen hielt sie am Arm fest. «Bitte, Ihr hattet mir etwas versprochen», sagte sie leise. «Wisst Ihr noch?»
«Ja. Ich erinnere mich. Und ich habe dich auch nicht vergessen. Du musst noch ein wenig Geduld haben.»
Priska wandte den Blick ab. «Ich muss weiter», sagte sie.
«Vergesst mich nicht. Ich bitte Euch», erwiderte Margarete. Sie scharrte mit dem Fuß über den gestampften Lehm, als ob sie noch etwas sagen wollte, doch dann drehte sie sich um und rannte davon. Priska sah ihr hinterher. Sie läuft wie ein übermütiges Kind, dachte sie und seufzte.
Dann machte sie sich auf den Weg zu Aron.
Die Tür von Ursulas Hütte war repariert worden; Priska sah es sofort. Die Fenster standen zum Lüften offen, zwischen zwei Bäumen hinter dem Haus hing ein Leinenhemd.
Sie klopfte, doch Aron hatte sie schon gesehen. Er beugte sich aus dem offenen Fenster und lachte. «Kommt herein, Doktorsfrau, Ihr kennt ja den Weg.»
Priska öffnete die Tür und trat in den Wohnraum. Aron stand an der offenen Herdstelle und rührte mit einem Löffel in einem Kessel.
«Ich habe noch Linsen gefunden», sagte er. «Und Möhren. Habt Ihr Lust auf eine gute Suppe?»
«Ja!» Priska setzte sich an den Tisch und streckte die Beine von sich. Sie betrachtete Aron, der ihr den Rücken zugewandt hatte. Plötzlich wurde ihr ganz leicht zumute. Die Sorgen fielen einfach ab von ihr. Ich werde schon herausfinden, wie es sich mit der Lust verhält, dachte sie. Aber zuerst werde ich essen.
Aron stellte zwei irdene Schüsseln auf den Tisch, holte Holzlöffel dazu. Dann hob er den Kessel vom Gestell und platzierte ihn in der Mitte des Tisches.
«Greift zu, Doktorin.»
Priska zögerte. Sie hatte gesehen, dass die Suppe gerade knapp den Boden des Kessels bedeckte. Sie wusste, dass Aron nicht viel zum Leben hatte. Die Mahlzeit, die er ihr angeboten hatte, würde ihm heute als Abendbrot fehlen.
Sie schob die Schüssel in die Mitte. «Danke, nein. Ich habe doch keinen Hunger», sagte sie.
Aron sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. «Ah», sagte er und nickte mehrmals. «Ich verstehe, Doktorsfrau.»
«Was versteht Ihr?»
«Nun, dass Ihr nicht mit einem Juden an einem Tisch sitzen wollt.»
«Unfug!» Priska schüttelte den Kopf. «Es ist mir gleich, an welchen Gott Ihr glaubt.»
Er schob seine Schüssel ebenfalls in die Mitte des Tisches, dann sah er sie an. Wieder schien es, als würden
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