Die Wunderheilerin
das Glitzern in Reginas Augen nicht, sondern lachte weiter. Selbst, als Regina ihr die Haube vom Kopf riss, war sie nicht zu stoppen. «Du glaubst wirklich, eine Haube mache eine ehrbare Frau?» Sie betrachtete Regina ohne Groll, hielt ihr die Hand entgegen, damit sie ihr die Haubezurückgäbe. Dabei fiel ihr Blick auf Reginas Leib, der merklich gerundet war.
«Du bist in gesegneten Umständen?», fragte sie freundlich, bereit, der Schwester jedes böse Wort zu verzeihen.
«Ja, ich bin schwanger. Und du bist schuld daran. Doppelt und dreifach schuldig geworden an mir. Dein Mutterring aus Bienenwachs hat versagt!», schrie Regina, warf Priskas Haube auf den Boden und trat mit ihren Holzpantinen darauf herum.
Priska sah ihr unbewegt dabei zu. Gestern noch hätte sie diese Handlung tief getroffen, hätte sie zum Weinen gebracht. Heute aber blieb sie gelassen, noch immer bereit, alles und jedem zu verzeihen.
«Nun, deine Schwangerschaft ist bestimmt ein Grund zur Freude», erwiderte Priska und sah sich um. Ein paar Neugierige waren stehen geblieben. Eine dicke Bürgersfrau hatte sogar ihren Henkelkorb auf den Boden gestellt und die Arme bequem vor der Brust verschränkt. Priska war es egal. «Schließlich bist auch du unter der Haube. Dietmar wird sich bestimmt darüber freuen», antwortete sie. Noch während Priska dies sagte, wusste sie, dass das Kind nicht von Dietmar sein konnte.
In Reginas Augen glomm Hass. «Du hast mir alles weggenommen», zischte der Zwilling. «Und ich werde es mir wiederholen. Ich habe lange genug gewartet.»
«Was willst du tun?», fragte Priska. Sie warf einen Blick auf die dicke Bürgersfrau, beugte sich dicht zu Regina und sagte, so leise, dass niemand außer der Schwester sie hören konnte: «Hast du noch nicht begriffen, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist? Du kannst mir nichts. Selbst, wenn du wolltest. Auf dich hört niemand. Du bist nur dieFrau des gehörnten Feuerknechtes. Mehr nicht. Glück hast du, wenn er dein Kind anerkennt. Sonst aber wirst du mit dem Strohkranz auf dem Haar durch die Stadt gejagt. Und jetzt entschuldige mich bitte; ich muss mich um meinen Mann kümmern.»
Mit diesen Worten drängte sich Priska an der Schwester vorbei, maß die Bürgerin mit einem langen Blick und ging grußlos von dannen.
Am Abend aber überkam sie die Furcht. Sie saß mit Adam in der Wohnstube. Im Kamin brannte ein Feuer, denn die Nächte waren noch kühl. Sie hatte an Aron gedacht, doch dann fielen ihr Regina und ihre Drohungen wieder ein.
Sie sah ihren Mann an, versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, ob er noch immer der widernatürlichen Unzucht frönte.
Doch Adams Gesicht war freundlich wie immer. Sie konnte nicht darin lesen. Er schaute sie an, nahm ihre Hand und sagte: «Du siehst schön aus, mein Liebes. Du strahlst richtig von innen heraus. Gibt es einen Grund dafür?»
«Nein», erwiderte Priska. «Ich freue mich des Lebens. Das ist alles.»
Sie schluckte, doch dann sprach sie von Regina. «Sie ist wieder schwanger und hat uns gedroht. Nichts Genaues zwar, Worte, aber ich habe Angst vor ihr.»
Adam lachte: «Uns kann nichts passieren, Priska. Ich bin inzwischen zweiter Stadtarzt. Viele kennen mich. Man wird mir glauben. Immer.»
Sechzehntes Kapitel
Jeden zweiten Tag ging Priska von nun an zu Aron. Sobald die Glocke von St. Nikolai die elfte Vormittagsstunde verkündete, machte sich Priska auf den Weg. Ihr Schritt war leicht, die Haut strahlte, Haar und Augen glänzten. Arons Liebe hatte Priska schöner gemacht. Schöner und besser. Sie verteilte Almosen mit freien Händen, sie lachte mit der Magd, gab den Krüppeln am Weg gute Worte. Doch manchmal in der Nacht kamen ihr Zweifel. Sie hatte vor Gott geschworen, ihrem Mann die Treue zu halten. Diesen Schwur hatte sie freudig gebrochen. Im Grunde war sie nicht besser als Regina. Auch sie buhlte mit einem Mann, der ihr nicht angetraut war. Sie versuchte sich damit zu trösten, dass sie die Lust, die sie lernte, weitergeben konnte an die Hübschlerinnen, doch sie wusste selbst, dass diese eine Lüge war. Es gab nur einen einzigen Grund für das, was sie tat: Liebe.
Sobald sie das Stadttor hinter sich gelassen hatte, begann ihre Haut zu kribbeln. Ihr Herz schlug heftiger mit jedem Schritt. Sie stieß die Tür auf, sank in Arons Arme und ließ sich auf das Bett fallen. Nichts war mehr wichtig. Nicht ihr Name, nicht ihr Stand. Nur Arons Hände, die nach ihren Brüsten griffen, in sie eindrangen, sie zum Stöhnen
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