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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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denken. Er sah aus wie jemand, der öfter Glück hat. »Soll das heißen, dass er seit vier Jahren nicht mehr hier arbeitet?«
    »Ja, Ende September haben sie jede Menge Mitarbeiter entlassen.« Er sah sie an. »September 2008.«
    »Was hat Alex anschließend gemacht?«
    John zuckte die Achseln. »Das klingt jetzt etwas irre, aber, glauben Sie mir, genau so ist es passiert.« Er berührte kurz seinen Ohrring, dann fuhr er sich mit der linken Hand durchs Haar. »Alex hat immer schon gezeichnet. Logisch, er war einer unserer Grafiker. Super Sachen hat er entworfen.«
    6 – 5 – 4.
    »Na ja, er hat Comics gezeichnet. Oder vielmehr: Er hatte vor, Comiczeichner zu werden. Das war sein Traum, schon immer. Als er dann den Job verloren hat, war das für ihn wie ein Zeichen. Brich alle Brücken hinter dir ab und tu, wonach dir wirklich ist. So was in der Art, wissen Sie.«
    »Haben Sie noch Kontakt?«
    »Nicht wirklich. Ich sehe ihn manchmal. Wir besuchen hin und wieder die gleichen Clubs.«
    »Wo kann ich ihn finden?«
    3 – 2 – 1.
    Er zuckte die Achseln. »Soweit ich weiß, wohnt er irgendwo in Brooklyn, aber wo genau …« Er schnalzte mit der Zunge. »Tut mir leid, keine Ahnung, echt. Aber er ist regelmäßig im Sansara Club , am Prospect Park West.«
    Die Fahrstuhltüren öffneten sich.
    »Dann werde ich dort mein Glück versuchen.« Faye verließ zügig den Fahrstuhl.
    John Masterson folgte ihr rasch.
    »Ähem, das klingt jetzt vielleicht etwas komisch«, sagte er und schenkte ihr erneut das lässige Lächeln, »aber ich bin ebenfalls regelmäßig dort.«
    »Schon klar«, sagte Faye.
    Die Antwort schien ihn zu überraschen.
    »Sonst wüssten Sie ja nicht, dass Alex Hobdon oft dort ist.«
    John Masterson schnipste cool mit den Fingern und lachte. »Hey, natürlich, Sie sind clever.«
    Faye sagte nur: »Ja, ich weiß.« Irgendwie lief das immer wieder nach dem gleichen Muster ab.
    John nahm eine lässige Haltung ein. »Falls Sie ihn nicht finden«, schlug er vor, »wissen Sie ja jetzt, wo Sie mich finden können. John Masterson. Assistant Director.« Er grinste breit.
    »Okay«, sagte Faye höflich. »Aber, um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass ich mich melden werde.«
    John nickte. »Dachte ich mir.«
    »Trotzdem danke, dass Sie mir geholfen haben.«
    Faye machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Gebäude, wenn schon nicht fluchtartig, so doch schnell genug, um keine Zeit zu verlieren.
    Als sie die Wohnung betrat, war es draußen bereits dunkel. Sie streifte die Schuhe ab, schlüpfte spontan aus den Klamotten, legte, T. C.s Rat folgend, Billie Holidays Songs for Distingué Lovers auf und ließ Badewasser einlaufen, während draußen ein schauriger Nieselregen penetrant, aber irgendwie auch gemütlich gegen die Fenster prasselte. Sie blieb nackt vor dem Spiegel stehen, bemerkte ihren eigenen kritischen Blick, tapste ins Bad und versank in der dampfenden, wohligen Wärme des duftenden Wassers. Sie schloss die Augen und versuchte, an gar nichts zu denken.
    »Die höchste Stufe der Meditation«, hatte Mica ihr einmal erklärt, »hast du erreicht, wenn du es schaffst, an gar nichts zu denken. Wenn du dich vom Körper löst. Und nur du selbst bist.«
    Faye wusste, dass dies der Zustand war, in dem manche Meister angeblich zu schweben begannen, und sie wusste ebenso, dass sie noch meilenweit von dieser Stufe entfernt war. Selbst hier, in diesem Augenblick der Entspannung, bestürmten sie zahllose wilde Gedanken, von denen nicht einer Ruhe geben wollte. Während der Badeschaum leise in sich zusammenfiel, dachte sie also all diese rastlosen Gedanken, einen nach dem anderen, keinen so richtig und nicht einen einzigen zu Ende. Es war, als müsste sie vielen Melodien gleichzeitig lauschen, und dann verpufften die meisten zu einem Flüstern, als ihr der Satz in den Sinn kam, den Alex Hobdon im Laden gesagt hatte: »Manche Geschichten sind wie Melodien.« Faye wusste, dass sie die Melodie der Geschichte, in der sie gerade steckte, noch nicht wirklich hören konnte. Eigentlich hörte sie nur Störgeräusche, dumpfes Rauschen, vielfältige Töne, manche so schön, dass man ein eigenes Lied daraus komponieren konnte, andere so disharmonisch, dass es sich anfühlte wie Zahnschmerzen, wenn sie sich bei einem im Ohr einnisteten. Warum ihr der Satz so vertraut erschienen war, hatte sie noch immer nicht ergründen können.
    Sie seufzte langgezogen und laut. Manchmal half das, heute irgendwie nicht.
    Sie betrachtete ihre Zehen,

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