Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
die unten aus dem Badeschaum hervorlugten und, fast im Verborgenen, im Takt zu »One for my Baby« wippten. Der Nagellack, orange leuchtend und herbstlich, sah noch gut aus.
Warum konnte nicht alles so bunt sein wie die Melodie, die ihre Füße wippen ließ?
Sie schloss erneut die Augen, seufzte, strebte den allerhöchsten Zustand der Meditation an, ohne Erfolg.
Schließlich kletterte sie aus der Wanne, denn das Wasser kühlte ohnehin langsam ab, und die Strategie, andauernd heißes nachlaufen zu lassen, würde sie spätestens im kommenden Januar bereuen, wenn die Nebenkostenabrechnung in ihrem Briefkasten lag. Sie trocknete sich ab, wickelte sich ein Handtuch um die Haare, schlüpfte in einen flauschigen Bademantel und schlurfte zur Küche, um sich einen Tee zu machen.
Die A-Seite von Billie Holiday war schon abgelaufen.
Alles war still.
Die erste Zeile des möglichen Refrains eines neuen Liedes fiel ihr ein, als sie ihren Schatten über die Wand tanzen sah.
Da klingelte das Telefon.
Sie zog ein Gesicht. Nein, sie hatte jetzt keine Lust, mit irgendwem zu reden. Gleich würde sie sich zu dem alles entscheidenden Treffen mit Alex aufmachen, und vorher musste sie sich zurechtmachen, sich schlachtentauglich schminken und frisieren. Wer, in aller Welt, sollte sie jetzt anrufen?
Faye wusste natürlich, dass ihre Neugierde siegen würde. Gleichzeitig dachte sie reumütig an all die verpassten Gelegenheiten, sich ein modernes Telefon zuzulegen, das die Nummer des jeweiligen Anrufers anzeigte. Ein solcher Apparat wäre in Situationen wie dieser Gold wert gewesen. Sie eilte hinüber ins Schlafzimmer zu dem Koffer, schnappte sich den Hörer und meldete sich.
»Darling, du bist zu Hause.«
»Dana!« Es tat gut, ihre Stimme zu hören.
»Wie geht es dir?«
Wie wäre es mit einer netten Lüge? »Bestens.«
Diesmal gab es Dana Carter ganz ohne Hintergrundgeräusche. Sie war also im Büro oder ihrer Wohnung und jedenfalls nicht in Bewegung. Das bedeutete, sie nahm sich wirklich Zeit und wollte reden, es war nicht das übliche Telefonat zwischen zwei Terminen. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Ehrlich. Gestern hast du dich so richtig schrecklich angehört. Gibt es Neuigkeiten?«
Faye hob das Telefon auf und begann im Kreis zu laufen. Das tat sie immer, wenn Dana anrief und Zeit mitbrachte. Es war ein Kreis, dessen Radius durch die Länge des Telefonkabels bestimmt wurde; den Raum verlassen konnte sie mit dem Telefon nicht. »Es sieht so aus, als wäre alles, was Alex mir erzählt hat, gelogen.«
Dana sagte zuerst nichts und dann: »Schieß los.«
Also berichtete Faye ihr von dem Besuch bei Sunset & Mindstorm und von allem anderen auch.
»Deswegen klingst du so«, stellte Dana, die sich geduldig alles angehört hatte, fest.
»Wie denn?«
»Gehetzt. Du machst dich gerade schön für Alex, habe ich recht?«
»Ertappt. Und? Ist das eine Sünde?«
»Du solltest das nicht tun.«
»Was? Mich schön machen oder mich mit ihm treffen?«
»Verkauf dich nicht unter Wert.« Dana meinte es ernst. »Er hat dich die ganze Zeit über belogen. Was erwartest du von dem Treffen?«
»Alles«, sagte Faye, »oder nichts.« Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Fenster, gesprenkelt von den Lichtern der Häuser gegenüber. »Ich weiß es nicht, ehrlich, keine Ahnung.« Das, zumindest, war die Wahrheit.
»Kann ich dich davon abhalten, ihn zu treffen?«
»Nein, kannst du nicht.«
»Dachte ich mir.«
Faye seufzte. »Ich muss es einfach tun.«
»Okay, aber …« Dana brachte es auf den Punkt: »Wenn du dich schon mit ihm triffst, dann solltest du bestimmen, wie das alles abläuft.«
Faye fragte: »Was meinst du damit?«
»Ich meine, du solltest dich nicht mit ihm im Sugar & Cinnamon treffen.«
»Warum nicht?«
»Herrje, Darling, muss ich dir das wirklich erklären?« Sie hatte ganz plötzlich diesen ungeduldigen Unterton in der Stimme. »Mal ganz ehrlich: Wer hat den Treffpunkt vorgeschlagen?«
Faye mochte es nicht, wenn Dana sich so gab. Es klang so verdammt überheblich.
»Na? Sag schon!«
»Alex.«
»Genau!« Dana Carter wusste eben, wie ihre Freundin tickte.
»Deswegen soll ich einen anderen Treffpunkt wählen.« Es war keine Frage.
»Du hast es erfasst. Du überlässt ihm zu viel Initiative.«
Faye seufzte. »Aber …«
»Nein!« Dana duldete keinen Widerspruch. »Es geht hier ums Prinzip. Ruf ihn an oder schreib ihm eine kurze SMS, dass er anderswo hinkommen soll. Glaub mir, er schafft das schon. Du darfst nicht so
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