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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Fußbekleidung. Er trug gewöhnliche warme Stiefel und zusätzlich unechte Tatzen von einem halben Meter Länge, die mit Riemen an den Sohlen befestigt werden konnten, ähnlich wie Skier. Die Funktion der Vordertatzen übernahmen entsprechend große Fellpranken, die Tsu an seinen Fäustlingen befestigte. Wenn er den Yeti spielte, bewegte er sich auf allen vieren, wie ein Raubtier. Tsu klagte darüber, dass der Job körperlich schwer war, denn auf allen vieren zu kriechen zehrte an den Kräften. Besonders auf steilen Anstiegen strömte sein Schweiß nur so, und manchmal hatte er Lust, die Tatzen in eine Schlucht zu schleudern, aber dann wäre Schluss mit dem Lohn am Monatsende, den ihm das Amt für Tourismus zahlte. Ein armer Mann muss sich nun mal nach der Decke strecken. Die Chinesen kontrollierten die Spuren des Schneemenschen im Rahmen der üblichen Gebirgsüberwachung. Auch das Geräusch vorhin hatte von einem Hubschrauber gestammt, der einen Kontrollflug absolvierte.
    Lauri und Kalle seufzten vor Erleichterung. Ihre Flucht aus den Klosterzellen war also geglückt, man verfolgte sie nicht länger. Der Hubschrauber war aus anderen Gründen in der Luft, nicht, um die Flüchtigen zu jagen.
    Tsu erklärte, dass er gerade auf dem Weg in sein Camp war, das sich wenige Kilometer entfernt in einem geschützten Tal befand. Sollte man nicht gemeinsam hingehen? Hier an dem windigen Hang war es zu kalt, um zu plaudern und Bekanntschaft zu schließen.
    Lauri und Kalle dankten für die Einladung. Der Schneemensch ging voran, ohne seine künstlichen Raubtiertatzen, und er bat, dass Lauri und Kalle ihm folgten, indem sie in seine Fußspuren traten. Tsu wollte keine Spuren seines privaten Schuhwerkes im Schnee hinterlassen. Seine Aufgabe war es, sich dort mit Raubtiertatzen und nicht in seinen Zivilstiefeln zu bewegen.
    »Die Aufgaben eines Schneemenschen sind genau definiert«, sagte er.
    Zu seinem Lager zweigte ein noch schmalerer Pfad ab, den sie vorsichtig betraten. Tsu holte unter einem Strauch einen kleinen Besen hervor, mit dem er Schnee über ihre Fußspuren fegte, erst dann gestattete er das Weitergehen. Es war eine Vorsichtsmaßnahme, damit sich keine neugierigen Touristen ins Lager verirrten, um das Privatleben des Schneemenschen zu bestaunen. Wenn in der Weltpresse und den anderen Medien darüber berichtet würde und der Schwindel der Chinesen aufflöge, würde das für ihn den Rausschmiss und womöglich die Ausweisung bedeuten. Obwohl Kirgisien sein Heimatland war, wollte er nicht wieder dorthin zurückkehren. Es war zu viel Zeit vergangen, seine Verbindungen nach Hause und zur Familie waren abgerissen. Tsu war bereits ein betagter Mann, würde bald sechzig. Er rühmte sich damit, der älteste Riesenpanda der Welt zu sein, die anderen Vertreter dieser Gattung starben bereits mit zwanzig Jahren an Altersschwäche.
    Tsu lebte in einem schönen Tal, in dem Bäume und dichte Sträucher wuchsen. Sein Lager war unter Bäumen versteckt, sodass keine Gefahr bestand, dass es entdeckt würde. Er hatte eine grüne Schutzdecke aufgespannt, die die Größe von zwei Laken hatte und als Regendach wie auch zur Tarnung diente. Unter dem Dach gab es einen aus Natursteinen gemauerten Erdofen, dessen blechernes Abzugsrohr durch ein Loch im Schutzdach nach draußen führte. Tsu zufolge brannte hier unten im Tal der Ofen nicht gut ohne Rohr. Der Luftdruck war niedrig, und auf natürliche Weise entstand so gut wie kein Zug. Der Ofen war mit einer gusseisernen Klappe versehen, und dahinter befand sich eine Mulde, in der man Essen kochen und Brot backen konnte. Oben auf dem Ofen gab es einen Rost, wo sich ohne Mühe Fleisch und Gemüse grillen ließen. Letzteres gab es hier im Hochland allerdings selten. Sämtliche Esswaren musste Tsu im Rucksack von einem Depot vor Lhasas Toren heranschleppen, wohin Träger des Tourismusbüros alle zwei Wochen Proviant und Post brachten. Aus seiner Heimat hatte Tsu zuletzt vor zwei Jahren einen Brief bekommen. Seine frühere Frau hatte ihm fröhlich mitgeteilt, dass sie erneut geheiratet habe und dass ihr neuer Mann viel besser sei.
    Tsu war also derzeit Junggeselle. Deshalb war sein Lager männlich karg. Auch er hätte sicherlich erneut heiraten können, aber hierher ins Gebirge mochte er keine Frau locken. In Lhasa wiederum würde er als Kirgise keine anständige Arbeit finden, und Mönch wollte er nicht werden, auch wenn sein derzeitiges Leben als Riesenpanda durchaus ans Mönchsdasein erinnerte.
    Tsus

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