Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
einem Tasteninstrument. Dann wurde die Musik unterbrochen durch Kalles lüsternes Lachen, in das mehrere Frauen mit sündigem Gekicher und Gegurre einstimmten. Bald waren immer lauteres Stöhnen und Kalles erregtes Geflüster zu hören, er stammelte den Namen seiner Frau – so kam es Lauri jedenfalls vor. Diese Art von Programm bot die frivole Gebetsmühle fast eine halbe Stunde lang, bis Kalle mit roten Ohren die immer schlüpfriger werdende Aufnahme ausschaltete.
Lauri starrte ihn vorwurfsvoll an und fragte, was das zu bedeuten habe. Hatte Kalle diese Schweinereien absichtlich aufgezeichnet? Und was hatten sie da gerade überhaupt gehört?
Tsu wusste sofort zu berichten, dass der komische Kasten soeben ein ausgezeichnetes Beispiel für das Treiben in einem chinesisch-tibetischen Freudenhaus geliefert hatte. Er gestand ein wenig schamhaft, dass ihn, wenn er Lhasa besuchte, sein Verlangen nach einer Frau häufig in jene Einrichtungen führte, wo man zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis zuvorkommend und freundlich bedient wurde. Er rühmte sich damit, manchmal seine Bordelltour über mehrere Tage auszudehnen, so lange, bis sein Geld verbraucht war. Von Kalle wollte er wissen, wie das Preisniveau sich zurzeit darstellte.
Kalle bekannte verlegen, dass er in Lhasa Huren besucht hatte, weil er sich so sehr nach seiner Frau sehnte. Er hatte sich eingebildet, dass die Zärtlichkeit eines Freudenmädchens dieses Gefühl lindern könnte, und so hatte er eine einschlägige Einrichtung besucht – sogar mehrere –, während Lauri die Stadt besichtigt und sich Notizen für das Reisetagebuch gemacht hatte. Natürlich hatte er die Gebetsmühle mitgenommen. Um das frivole Treiben zu mildern, hatte er den Hindu-Gottesdienst eingeschaltet, aber die Huren hatten sich darüber nur amüsiert und den Apparat an sich genommen. Da hatte die Gebetsmühle wohl von allein den ganzen Vorgang aufgezeichnet. Kalle entschuldigte sich vielmals bei Lauri und beschwor ihn, seinen Sündenfall nicht zu verraten.
»Meiner Frau sagst du kein Wort über meinen Ausrutscher. Das ist ganz und gar meine Privatsache und geht niemanden etwas an.«
Lauri wusste sehr wohl, dass ein schwacher Charakter bisweilen Verlockungen erlag, aber es war eine Entweihung, die Abenteuer im Bordell mit einem Hindu-Gottesdienst zu verbinden. Kalle sollte sich schämen.
»Ich schäme mich zutiefst«, gestand Kalle mit unglücklicher Miene. Dann jedoch hellte sich sein Blick auf, er holte eine kleine verzierte Flasche mit einer grünen Flüssigkeit aus seinem Rucksack und goss den beiden Gefährten ein Gläschen ein.
»Wie wär’s, wenn wir auf unsere Versöhnung anstoßen?«
Er hatte den grünen Likör im Freudenhaus gekauft, gewissermaßen als Souvenir. Der Reisschnaps und der Likör wärmten die Seelen des Trios in einem Maße, dass keine weitere Kritik an Kalle laut wurde. Tsu wurde geradezu euphorisch. Er hörte sich Kalles Aufzeichnung ein zweites Mal an und verkündete schließlich, dass er die beiden Finnen nach Indien bringen und sich auch gleich selbst in jene wärmeren Gefilde absetzen würde. Er hatte genug davon, als Riesenpanda herumzutappen. Er würde das Pandafell verkaufen, der Erlös würde bestimmt für ein Jahr oder sogar zwei zum Leben reichen.
Vor sechs Jahren hatte ihm der Job als Schneemensch im Himalaja sehr zugesagt. Er hatte mitwirken wollen an der Entwicklung einer asiatischen Identität in der wilden Gebirgswelt, hatte zusammen mit den Chinesen die angeberischen Westeuropäer ein wenig beschwindeln wollen. Ursprünglich war er also von seiner Sache überzeugt und reinen Gewissens gewesen, aber bereits nach einem halben Jahr war ihm sein Dasein als Bestie arg verhagelt worden. Man hatte seinen Monatslohn gekürzt, und auch die ursprünglichen Absprachen hinsichtlich des Proviants waren nicht eingehalten worden. Tsu hatte festgestellt, dass die Träger die besten Stücke stahlen, vor allem das frische Fleisch und den Fisch, und sie durch welke Wurzeln und zufällig gefundene Kaninchenkadaver ersetzten. Seine Beschwerden hatten nicht geholfen. Im Gegenteil, das Tourismusamt von Lhasa hatte ihm mitgeteilt, dass er, wenn ihm das Raubtierleben nicht gefiel, seine Sachen packen, die Skier unterschnallen und nach Kirgisien verschwinden sollte. Wenn er also sein Gehalt kassieren wollte, musste er gehorchen.
Tsu leerte sein Glas und erzählte:
»Stellt euch vor, ich muss ein Raubtier von tausend Kilo Gewicht spielen und kriege dasselbe
Weitere Kostenlose Bücher