Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Monatsgehalt wie jeder hergelaufene Hafenkuli, der sich mit Mühe dazu aufraffen kann, einmal am Tag zwei, drei Baumwollballen aufs Schiff oder vom Schiff herunterzuschleppen.«
Urlaub hatte er natürlich schon seit Jahren nicht bekommen. Sein Heimatland konnte er nicht besuchen, nicht mal Korea, geschweige denn Indien. An ein Familienleben war nicht zu denken. Wenn er sich mal in ein Hirtenmädchen oder auch nur in ein Freudenmädchen verliebte, war an Heiratspläne gar nicht zu denken. Kinder könnte er natürlich zeugen, aber wer sollte sie ernähren? In Asien herrschte auch ohne sein Dazutun genug Hunger, da bedurfte es nicht noch der Zeugungskraft eines Riesenpandas.
Verbittert erklärte Tsu, dass jetzt Schluss sei mit dem Raubtierleben. Gleich am nächsten Morgen werde er sein Lager auflösen, alle überflüssigen Gegenstände verbrennen und sich mit seinen finnischen Freunden nach Indien aufmachen. Als Lohn für seine Rolle als Gebirgsführer wolle er lediglich die Konstruktionszeichnungen der frivolen Gebetsmühle. Die Mühle, so fand er, ersetzte ziemlich gut eine Partnerin, wäre sogar in vieler Hinsicht eine bessere Lösung, als eine Frau zur Ehe zu überreden.
»Die Mühle streitet nicht und ist nicht eifersüchtig, und sie fängt ganz sicher nicht damit an, kleine sprechende Kästen zu gebären, die besondere Fürsorge und als Kraftquelle teure Miniakkus benötigten.«
Reisschnaps und Likör gingen allmählich zur Neige. Tsu machte für Lauri und Kalle bequeme Schlafplätze direkt am Ofen zurecht, wo sie es schön warm hätten, selbst für den Fall, dass vom Boden des Tals kalter Nebel aufsteigen würde. Auch Regen würde ihnen so nichts anhaben können, denn das Schutzdach war groß genug für drei Schläfer und sämtliche Gegenstände und Vorräte im Camp.
Zum Abendessen verzehrten sie die Reste des Fleischtopfes vom Mittag, danach spülten sie sich das Gesicht im nahen Bach und legten sich schlafen. Alle waren so erschöpft von den Ereignissen des Tages, dass sie den Schlaf nicht extra locken mussten. Früh am nächsten Morgen erwachten die beiden Finnen, als Tsu aus dem Gebüsch Kleinholz heranschleppte und Feuer im Ofen machte.
Nach der Morgenwäsche halfen Lauri und Kalle ihrem Gastgeber dabei, Frühstück zu machen. Sie bestrichen einen tüchtigen Haufen Knäckebrot mit Yakfett und machten auf dem Ofen Pemmikan. Auf diese Weise reichten ihnen zum Frühstück zwei Dosen Kaninchenfleisch. Das Yakfleisch wollten sie für den Weg nach Indien aufsparen. Tsu schätzte, dass der Marsch anstrengend würde, denn das Gelände war gnadenlos bergig. Sie würden von Glück reden können, wenn sie weniger als eine Woche bräuchten.
»Es kann durchaus auch passieren, dass wir von einer Lawine begraben werden oder in eine tausend Meter tiefe Schlucht stürzen.«
Kalle und Lauri bezweifelten, dass es im Himalaja so tiefe Schluchten überhaupt gab.
»Schluchten von zweitausend Metern Tiefe sind das Übliche«, erklärte Tsu, während er seinen Gefährten den Morgentee eingoss. Dann erwähnte er noch, dass im Allgemeinen auf dem Grund der Schluchten hungrige Tiger oder Pumas warteten, und wenn die nicht da waren, gab es immer noch genügend schwarze Killerbären.
22
Am Tag des Aufbruchs war es sonnig und sanft windig. Tsu schätzte, dass sie, wenn das Wetter in der kommenden Woche so schön bliebe, in vier oder fünf Tagen Indien erreicht hätten. Sie bauten das Lager ab, schwangen sich die Rucksäcke auf den Rücken und machten sich auf den Weg. Tsu kannte die Gegend gut und benötigte Lauris und Kalles Karten nicht, und schon gar nicht ihren Kompass. Der in das Fell des Riesenpandas gehüllte Schneemensch trabte an der Spitze. Lauri und Kalle hatten sich die künstlichen Tatzen unter die Füße geschnallt und hinterließen im Schnee riesige Raubtierspuren. Sie waren aufgeregt wie Kinder, da es nun endlich losging.
Tsu trug die Gebetsmühle auf der Schulter und hörte sich immer wieder ihre frivole Botschaft an. Kalle fand, dass er übertrieb, aber da war nichts zu machen, dem Schneemenschen gefiel die Aufnahme nun mal. Die einsamen Jahre in den Bergen des Himalaja hatten ihn so mit männlicher Kraft und Lust aufgeladen, dass ihm das eintönige Gegacker der Huren nicht so schnell über wurde.
Durch die mächtige Landschaft des Himalaja zu ziehen zehrte an den Kräften, denn flache Täler gab es selten. Die steilen Hänge und abschüssigen Stellen waren bald in den Waden und Oberschenkeln zu
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