Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
werde. Über den Lohn werde man sich garantiert einig, er, Tsu, sei nicht sehr teuer, er brauche nur freie Verpflegung und ein einigermaßen bequemes Zimmer als Unterkunft.
»Hier ist es bestimmt angenehmer als in der Kälte des Himalaja.«
Nachdem der Dalai Lama den neuen Leibwächter engagiert hatte, ließ er sich von seinem Sekretär die Post für Lauri und Kalle bringen, die das Hotel in Neu Delhi an seine Residenz weitergeschickt hatte. Außer ein paar Postkarten waren auch Telegramme von ihren Frauen dabei, die erkundigten sich darin nach dem Ergehen der Männer und forderten sie auf, nach Hause zu kommen. Wenn die Gatten nicht bald in Finnland erscheinen würden, könnten sie sich im Ausland neue Ehefrauen suchen. Irma und Anita gedachten ihr einsames Leben dort nicht endlos fortzusetzen, während die Männer durch die Welt tourten, um angeblich irgendwelche Religionen zu verbreiten.
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Residenz und Büro des Dalai Lama waren, angesichts seiner Position, bescheiden, aber zweckmäßig. Der Sekretär und die übrige Dienerschaft fanden gut darin Platz, und das geistliche Oberhaupt selbst bewohnte sehr bequeme Räume. Der Lama benötigte Personal, während er die Funktion des Anführers der Exilregierung ausübte, und diese Funktion wiederum beinhaltete lange Reisen durch die ganze Welt. Der Dalai Lama reiste gern, und im Allgemeinen wurde er wie ein Staatsoberhaupt mit allen protokollarischen Ehren empfangen. Auch wenn er bei seinen Besuchen in Finnland nicht mit den höchsten Repräsentanten des Staates hatte reden können und auch sonst nicht seiner Würde entsprechend behandelt worden war, hegte der Dalai Lama keinen Groll gegen die finnischen Spitzenpolitiker. Er versuchte, für ihren »engen Zeitplan« Verständnis aufzubringen, der ein gemeinsames Treffen nicht erlaubt hatte. Jetzt aber waren zwei Finnen bei ihm zu Gast, und sie hatten neue Informationen über die Zustände in Tibet für ihn.
Lauri Lonkonen und Kalle Homanen ruhten sich beim Dalai Lama ein paar Tage von den Strapazen ihrer Flucht aus. Bei der Gelegenheit konnten sie ihm von der gegenwärtigen Situation in Tibet berichten. Ärgerlich nur, dass sie Kalles Kamera nicht mehr dabeihatten und somit nicht mit entsprechenden Fotos aufwarten konnten.
Lauri hatte sich jedoch zahlreiche Notizen in seinem kleinen, blau karierten Heft gemacht. Seltsamerweise hatten die Beamten im Kloster das Reisetagebuch nicht beschlagnahmt. Und jetzt, da er im Stil eines Touristenspions über die gegenwärtige politische und militärische Situation in China und Tibet referierte, war es ihm von großem Nutzen.
Lauri berichtete dem Dalai Lama und dessen Sekretär über den Reiseverlauf, in chronologischer Reihenfolge, von Anfang bis Ende. Er beschrieb den Flug nach Peking und die Bahnfahrt von dort nach Lhasa. Dabei geriet er regelrecht ins Schwärmen, als er die Besonderheiten des tibetischen Hochlandes pries, ohne dabei den Buschbrand und die Details über die neue Bahnverbindung zu vergessen. Dann schilderte er haarklein die Zustände in Lhasa und berichtete auch, welche Haft- und Verhörmethoden aktuell praktiziert wurden.
Der Dalai Lama wunderte sich ein wenig darüber, dass man die Finnen nicht nach Peking gebracht hatte, um sie dort hinzurichten. Er zeigte sich sehr reuig, dass er den beiden vorgeschlagen hatte, die Situation in Tibet unter die Lupe zu nehmen. Denn letztlich war das eindeutig Spionage, und die hatte unter Umständen die schlimmsten Folgen. Buddha sei Dank, dass Doktor Seppo Sorjonen und der Schneemensch vom Himalaja den Gefährten zur Flucht aus ihrer prekären Situation verholfen hatten.
Lauri und Kalle überlegten, ob es angebracht wäre, dem Dalai Lama von ihrer neu erfundenen Religion zu erzählen. Was würde dieser Mann, einer der berühmtesten religiösen Führer der Welt, wohl vom geistlichen Hobby zweier finnischer Laien halten und von einem Glauben, in dem es keinen Gott gab? Würde das den Dalai Lama beleidigen? Schließlich beschlossen sie, von ihrem Modellentwurf zu erzählen, sich jedoch zu hüten, ihre Religion in irgendeiner Weise über andere zu stellen und sie zumindest nicht mit dem Buddhismus zu vergleichen.
Der Dalai Lama lauschte ihrem Glaubensbekenntnis höflich, und je mehr er davon erfuhr, desto interessierter wirkte er. Er war ein toleranter Mann und verurteilte niemanden wegen eines anderen Glaubens. Seiner Meinung nach konnte jeder glauben, woran er wolle, Hauptsache, er achtete das Leben und ließ seine
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