Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Nächsten in Frieden. Die Religion war in der Geschichte der Menschheit allzu oft und auf grausame Weise zu Ursache und Mittel für Unterdrückung und Krieg geworden.
Dennoch amüsierte sich der Dalai Lama ein wenig über Lauris und Kalles Gotterfindung. Er hatte noch nie zuvor von einer Gottheit gehört, die die Ausmaße des Weltalls hatte oder im Grunde genommen das Weltall war, und so konstatierte er, dass Lauri und Kalle zumindest nicht an übertriebener Bescheidenheit litten. Wenn Gott groß war, war natürlich das ganze Weltall noch größer. Und er fragte sich, wer an so etwas glauben solle. Bisher hatte sich die Menschheit mit weniger begnügt, aber Lauri und Kalle waren offenbar in religiösen Fragen besonders großzügig.
Der Schneemensch half den beiden beim Packen. Als er die Gebetsmühle in den Koffer stopfte, fragte er schüchtern, ob er jene Bandaufnahme haben könnte, die er sich auf der Gebirgswanderung so oft angehört und an die er sich irgendwie gewöhnt hatte. Lauri und Kalle schenkten ihm gern die frivole Aufnahme. Kalle bat ihn allerdings, sie nicht in fremde Hände zu geben, da sie persönliche Gefühlsbekundungen enthielt. In der Gebetsmühle installierte er dafür eine neue Kassette, die der Dalai Lama freundlicherweise mit einer buddhistischen Andacht versah, dazu spielte er sogar noch auf einer kleinen Harfe einige fromme Melodien. Endlich diente die Gebetsmühle wieder religiösen Zwecken und hatte zumindest vorläufig keine frivole Botschaft mehr zu verkünden.
Neben der Berichterstattung über die Reise und den bedeutsamen religiösen Gesprächen mussten sich Lauri und Kalle auch noch um ihre desolaten Finanzen kümmern. Die Chinesen hatten ihnen sämtliches Geld abgenommen. Vom Dalai Lama wollten sie nichts leihen, und Schneemensch Tsu war bekanntermaßen ein Habenichts. Aber auf Kalle wartete zu Hause ein pralles Bankkonto, und auch Lauri war nicht ganz mittellos. So ließen sie sich denn aus Finnland so viel Bargeld überweisen, dass sie nach Neu Delhi fahren und sich in ihrem angestammten Hotel einquartieren konnten. Ihren Ehefrauen schickten sie beruhigende E-Mails mit der Mitteilung, dass sich ihre Weltreise dem Ende nähere, da sämtliche Arbeiten im Großen und Ganzen erledigt seien.
Nach ihren Frauen sehnten sie sich tatsächlich schon sehr. Lauri streifte abends allein durch die Straßen der Millionenstadt und überlegte, ob auch er ein Bordell besuchen sollte, um Druck abzulassen und die Sehnsucht zu lindern. In den Straßen und Gassen gab es mehr als genug branchenübliche Etablissements und darin Hunderte, wenn nicht gar Tausende hübsche indische Mädchen, und auch der Preis für die Liebe war nicht sehr hoch. Wenn Kalle sich hatte hinreißen lassen, warum sollte dann nicht auch er, Lauri, das gleiche Recht haben?
Am Ende einer schmalen Handelsgasse fand Lauri, was er suchte. Das grell beleuchtete Haus lockte zahlende Gäste an. Er grübelte angestrengt. Wäre die Erfahrung tatsächlich das Gesundheitsrisiko und die schlimme Scham wert? Was würde seine Frau sagen, wenn sie wüsste, auf welchen Pfaden er im Moment umherirrte? Und wie würde Kalle, selbst einschlägig erfahren, auf die Aktion reagieren? Könnte er, Lauri, diesen Seitensprung geheim halten und die bezahlte Liebe ganz für sich allein genießen?
Während er diese Überlegungen anstellte, beschloss er schließlich, zu dem neuen, gemeinsam mit Kalle entwickelten Glauben Zuflucht zu nehmen. Warum sollte er nicht in diesem Moment der Entscheidung vom Weltall Antwort auf das sittliche Problem erbitten? Lauri murmelte halblaut ein entsprechendes Gebet und bekam auch sofort die Antwort: Er befand sich auf dem falschen Weg. Das Weltall verurteilte Hurerei und die Degradierung der Frauen zur Handelsware.
Und Lauri verspürte nicht mehr den Wunsch, das Bordell zu betreten, die männliche Begierde war dahin. Die neue innovative Religion hatte mit der Stimme des Weltalls gesprochen und den Mann davor gerettet, widerwärtiger Sünde anheimzufallen.
Eigentlich fand Lauri, dass ein Bordellbesuch keine wirklich große Sünde sein konnte, aber wenn es dem Weltall nicht gefiel, war eben nichts zu machen. Mochten die Freudenmädchen ihre Höschen anbehalten. Lauri Lonkonen würde nicht an ihren Strumpfbändern fummeln.
24
In Neu Delhi suchten sie die örtliche Vertretung der Air France auf und erkundigten sich, ob die Fluggesellschaft zufrieden war mit Kalles Erfindung zur Abwehr von Luftwirbeln. Die Franzosen hatten
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