Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
verletzlich und vertrug keine Kälte, aber auch keine starke Hitze. Ständig kam es zu Unfällen. Alte Leute rutschten aus, und junge holten sich Beulen am Kopf.
    Lauri warf ihm vor, zum frühen Mittelalter zurückkehren zu wollen, weil er für die Menschen einen Harnisch entwickelte. Warum erfand er nicht auch gleich für Pferde ein passendes Gehäuse, einen mitwandernden Stall? Kalle überhörte die spöttische Bemerkung und pries die positiven Eigenschaften seiner Erfindung weiter an. In dem Gehäuse gäbe es eine gute Beleuchtung, Heizung und Belüftung, einen PC , Telefonverbindung, einen Fernseher und andere moderne Unterhaltungselektronik.
    »Und die Toilette?«
    Lauri möge sich gedulden, bat Kalle. Aus dem Gehäuse könnte man sich für kurze Zeit entfernen, um seine Notdurft zu verrichten, oder man könnte in eine Toilette fahren, wo die Kapsel als eine Art persönliches Klobecken fungieren würde. Die Exkremente würden einfach in die öffentliche Kanalisation gepumpt.
    Als Tüpfelchen auf dem i präsentierte Kalle einen Minikühlschrank und eine ebensolche Mikrowelle, in der sich leicht Speisen und Getränke zubereiten ließen. Essensnachschub könne man mühelos und ohne Anstehen im Laden besorgen und bei der Gelegenheit auch den Abfall entsorgen. Mit der Kapsel könne man draußen übernachten, und mit bis zu fünfzig Stundenkilometern durch die Gegend sausen. In Flugzeugen gäbe es spezielle Kapsel-Abteilungen, in die man direkt hineinfahren und dort in der Kapsel schlafen könnte. Genauso wäre es in Fernzügen und Schiffen. Die Fortbewegung und das Leben überhaupt würden sich so außerordentlich mühelos gestalten. Jeder hätte ausreichend gesunde Bewegung, weil er die Kapsel durch Treten in Gang setzen müsste, ähnlich wie die Kinder früher mit ihren Tretautos. Spiel und Bewegung in einem!
    Lauri meinte, dass Kalle mit seiner neuesten Erfindung die ganze Menschheit in Kapseln einsperren wollte, die beispielsweise ein Diktator leicht beherrschen könnte, indem er etwa in die Computer seiner Untertanen eindrang und Millionen von ihnen in großen Gefangenenlagern unter Aufsicht hielte. Da würden dann die Leute liegen wie die Seidenraupen in ihrem Kokon, sämtlicher Menschenrechte und Freiheiten beraubt.
    Das hatte Kalle nicht bedacht. Dafür fänden aber die Bewohner der Entwicklungsländer, die Hunger und Kriege erlebt hatten, in den Kapseln Schutz vor ihren Unterdrückern. Internationale Nahrungs- und medizinische Hilfe ließe sich leicht direkt zu den Kapseln leiten. Ganze Familien und Dorfgemeinschaften könnten sich versammeln, um ihr neues menschenwürdiges Dasein zu genießen, jeder hätte seine eigene bewegliche und schützende Hülle.
    Lauri konnte sich für Kalles großartigen Plan nicht erwärmen. Auch wenn er anerkannte, dass die Menschheit in der Tat von vielen großartigen Erfindungen profitiert hatte, wie etwa vom Rad oder vom elektrischen Strom, so hatte es doch auch viele schreckliche Ideen gegeben, die nur Verderben über die Völker gebracht hatten, zum Beispiel Tötungswaffen und Folterinstrumente. Schon möglich, dass Kalles seltsamer Einfall tatsächlich weltweit umgesetzt würde, doch dann wäre es vorbei mit der Freiheit der Menschen. Lauri wusste nur zu gut, dass selbst Kalles verrückteste Ideen praktikabel waren, die frivole Gebetsmühle war dafür keineswegs das einzige Beispiel.
    »Ich jedenfalls werde nie in deine Wabe kriechen, bilde dir das bloß nicht ein. Ich möchte mich als freier Mann und auf eigenen Füßen bewegen, wohin ich will, ohne eine künstliche Schutzkapsel.«
    Kalle warf ihm vor, mit seiner negativen Einstellung die Weiterentwicklung der Menschheit zu bremsen. Ein vom Leben gebeutelter schwarzer Lagerarbeiter fände vielleicht seine Rettung darin, die Welt aus einer sicheren Hülle heraus zu betrachten. Oder wäre es schlecht, wenn ein schwer erkrankter Asiate für die letzten Jahre einen eigenen warmen Zufluchtsort fände?
    Lauri ging nicht weiter darauf ein, und so beendete auch Kalle die Arbeit an seiner großartigen Erfindung. Er faltete seufzend die Entwürfe zusammen.
    »Sei nicht beleidigt, aber der Mensch ist nun mal kein Schalentier«, murmelte Lauri.
    »Besser wäre es aber«, behauptete Kalle.
    Auf dem Bahnhof von Jaipur warf Kalle die Entwürfe in den Mülleimer. Lauri registrierte es und dankte seinem Gefährten für die Geste.
    »Danke, Kalle, in meinem eigenen Namen und dem des Weltalls.«

26
    Die Gebetsmühle hatte eine Eigenschaft,

Weitere Kostenlose Bücher