Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Seite gestoßen, fällt und rollt durch den Schnee. Es will sich gerade wieder aufrichten, als es vom zweiten Hummer überrollt wird.
    »Allmächtiger Gott, was macht ihr?«
    »Lass Gott dabei aus dem Spiel, Priester«, knurrt Durand. Er hält wieder an, lässt sich von Wenzel ein Gewehr reichen und steigt aus, ohne Gasmaske und Plastikjacke.
    Die Wesen drehen sich zu ihm um. Das vom zweiten Hummer überfahrene Geschöpf ist nicht tot, sondern versucht erneut aufzustehen. Als ihm das nicht gelingt, zieht es sich mit den Armen durch den Schnee.
    Durand lässt die Wesen noch etwas näher herankommen, tritt dann plötzlich auf sie zu.
    Als ihn nur noch wenige Meter von den Kreaturen trennen, richtet er das Gewehr auf sie und drückt zweimal ab. Die beiden Kugeln schlagen in die Köpfe von zwei Geschöpfen, und die Getroffenen sinken zu Boden. Unmittelbar darauf sackt ein drittes in sich zusammen, und dann stirbt ein viertes, mit einem Loch in der Stirn.
    Nur zwei bleiben stehen, die beiden langsamsten von ihnen.
    Durand legt das Gewehr in den Schnee, zieht einen Trommelrevolver und erschießt damit die beiden letzten Wesen, die noch auf den Beinen sind. Anschließend geht er zu dem Geschöpf, das nach wie vor durch den Schnee kriecht, richtet den Lauf des Revolvers auf ein schwarzes Auge und drückt ab.
    Als ich den Wagen verlasse, lädt der Hauptmann Gewehr und Revolver.
    Ich bin regelrecht außer mir.
    »Herzlichen Glückwunsch! Sind Sie jetzt zufrieden? Sie haben sechs hilflose Geschöpfe erschossen!«
    »Habe ich, ja. Jetzt leiden sie nicht mehr. Und ich dachte, wir wären beim Du.«
    »Ich duze kein Ungeheuer! Sie haben diese Leute kaltblütig ermordet und ihnen nicht einmal die Möglichkeit gegeben …«
    Durand packt mich am Kragen der Jacke.
    » Ich soll hier das Ungeheuer sein? Und wozu habe ich ihnen keine Möglichkeit gegeben? Komm mit, du Arschloch!«
    Ich versuche, Widerstand zu leisten, aber Durand zieht mich einfach mit sich, in Richtung der beiden Häuser, dem eingestürzten und dem intakten daneben.
    Wir haben sie fast erreicht, als mich der Hauptmann so plötzlich loslässt, dass ich das Gleichgewicht verliere und in den Schnee falle.
    »Sieh es dir an«, sagt Durand und weicht einige Schritte zurück.
    Ich stehe auf und klopfe mir Schnee von Hose und Jacke.
    Dann höre ich das Geräusch.
    Zuerst denke ich, dass es der Wind ist, doch dann stelle ich fest, dass es aus dem Dunkeln vor mir kommt: ein leises Winseln.
    Es hat seinen Ursprung in der Finsternis zwischen den beiden Gebäuden.
    Durand holt einen transparenten Stab hervor, lang und dünn. Er biegt ihn, als wollte er ihn zerbrechen, und plötzlich erstrahlt helles Licht.
    Der Hauptmann wirft den Stab.
    Das weiße Licht erreicht die Dunkelheit zwischen den Häusern, und meinen Augen bietet sich eine Szene dar, die direkt aus einem Albtraum zu kommen scheint. Zehn oder mehr Geschöpfe wie die, die Durand gerade erschossen hat, sitzen dort auf dem Boden, den Rücken an die Mauern gelehnt. Einige von ihnen tragen Lumpen, andere sind nackt, obwohl es sehr kalt ist. Ein fast unerträglicher Gestank geht von ihnen aus, und ich bereue, meine Gasmaske im Wagen gelassen zu haben.
    »Mein Gott …«, bringe ich hervor.
    »Ich hoffe, dass Gott nichts hiermit zu tun hat«, sagt Durand und tritt einen weiteren Schritt zurück.
    Der Geruch gibt mir einen deutlichen Hinweis: Die Wesen, die ich vor mir sehe und nun aufstehen, ähneln jenen, denen ich im Swimmingpool begegnet bin. Ich versuche, sie mir nicht als Kreaturen vorzustellen, sondern als Menschen , aber das will mir nicht gelingen. Wie gelähmt stehe ich da und beobachte, wie sie einen torkelnden Schritt nach dem anderen machen. Die Augen sind geradezu riesig, und ihr Blick scheint bis in die entlegensten Winkel meines Kopfes zu reichen. Sie werden noch größer, und ein sonderbares Licht leuchtet in ihnen …
    Ein Arm erscheint links von mir, ein zweiter auf der rechten Seite.
    Die Hände halten Pistolen.
    Ich sehe rotes Mündungsfeuer, höre aber nicht das Knallen des Schusses und kann den Weg der Kugel Millimeter für Millimeter verfolgen, bis sie den Körper des ersten Wesens erreicht. Alles ist extrem verlangsamt. Ich beobachte ein anderes Projektil, das aus Diops Pistole stammt – vor ihm hat Rossi geschossen. Auch der Schuss des Schwarzen streckt einen Zombie nieder, und es folgt ein weiterer. Noch immer ist alles sehr langsam, und das gilt auch für meine Bewegungen, für meine Schritte – der