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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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blonden Haare sind zu lang und fallen ihm in die Augen. Der Kopf wackelt die ganze Zeit über, und während er uns beobachtet, gleichen die Augen diese krampfartigen Bewegungen aus. Er trägt ein Gewand aus rotem Samt und eine große Kette aus massivem Gold, an der eine goldene Sonne hängt. Auf dem Kopf ruht ein Diadem aus Perlen, ein Schmuckstück, das ziemlich alt zu sein scheint und eher zu einer Herzogin passen würde als zu einem Herzog.
    »Willkommen seid ihr. Willkommen, meine Gäste. Die Gesandten der Kirche. Endlich. Fantastisch. Kommt, macht es euch bequem.«
    Die Stimme des jungen Herzogs klingt wie das Meckern einer Ziege.
    Er hat zu viel Parfüm benutzt, und eins, das zu süßlich ist.
    Mit einem Satz springt er von seinem hölzernen Thron herunter und geht auf einen langen, hergerichteten Tisch zu. Dort angekommen deutet er mit einer einladenden Geste auf die Stühle.
    Wenn dies ein Film über die Borgia oder Tudor gewesen wäre, eines jener Historiengemälde, die vor der Katastrophe immer wieder im Fernsehen liefen, hätten vermutlich Schalen mit Obst auf dem Tisch gestanden: Weintrauben, Bananen, Orangen. Doch nach dem Tag des Leids hat sich das Konzept des Exotischen verändert. Der nach unseren Begriffen reich gedeckte Tisch wäre Menschen aus der Vergangenheit vielleicht armselig erschienen. Es gibt mehrere Sorten Brot, Pasteten und gebratenes Fleisch, außerdem Wein, frisches Gemüse …
    »Setzt euch und esst.« Der Herzog lächelt.
    Wir lassen uns das nicht zweimal sagen.
    »Ich würde den beiden Männern, die ihr zurückgelassen habt, gern etwas bringen lassen, aber vermutlich würden sie es zurückweisen, oder? Weil sie befürchten, dass ich mit Speis und Trank versuchen könnte, sie zu betäuben oder gar zu töten.«
    Er nimmt am Tischende Platz, ergreift eine Gabel und spießt damit eine halb von Soße bedeckte Scheibe Fleisch auf.
    Es ist weißes, weiches Fleisch.
    Dann hebt der Herzog den Kopf und begegnet meinem Blick.
    Er lächelt.
    »Oh, ich verstehe. Das ist Taubenfleisch. Eine alte Spezialität von Urbino. Hier essen wir keine Ratten oder andere Widerlichkeiten. Wir sind zivilisierte Menschen. Für meine geliebten Untertanen kommt nur das Beste auf den Tisch.«
    Er steckt sich die Scheibe Fleisch in den Mund, schiebt ein Stück Brot hinterher, kaut laut und schluckt. Ein bisschen Speichel rinnt ihm aus dem Mundwinkel.
    Ich sitze in seiner Nähe und nehme hinter dem übertriebenen Parfüm einen anderen, abscheulichen Geruch wahr.
    »Ihr seid die ersten Repräsentanten der Kirche, die hierherkommen«, meckert er mit vollem Mund. »Wer ist Papst? Hat er die Katastrophe überlebt? Aber nein, er war zu alt. Wer ist der neue Papst?«
    Ich will antworten, doch Hauptmann Durand kommt mir zuvor.
    »Der neue Papst heißt Gelasius. Papst Gelasius der Dritte. Er ist Deutscher, hat der Kirche wieder eine militärische Streitmacht gegeben und überall in Mittelitalien Allianzen geschmiedet. In den anderen Teilen des Landes haben wir Vorposten, bis hin zu den alten Grenzen.«
    »Von dieser Supermacht haben wir noch nie etwas gehört«, wendet Tucci ein.
    »Setz dich, Davide«, sagt der Herzog. »Setz dich und leiste uns Gesellschaft.«
    »Ich habe schon gegessen.«
    »In Ordnung, meinetwegen. Aber setz dich trotzdem zu uns. Ich mag es nicht, dich da stehen zu sehen. Komm schon, nimm Platz.«
    Tuccis große Hände ergreifen einen Stuhl und ziehen ihn zurück. Mit finsterer Miene lässt er sich darauf fallen.
    »Sie haben gerade von Papst Gelasius dem Dritten erzählt. Ich wusste gar nicht, dass vor ihm zwei andere Päpste mit diesem Namen regierten. Wie viele Dinge es doch gibt, von denen wir nichts wissen, oder?«
    »Ja, er ist der Dritte. Er hat den Papst abgelöst, der am Tag des Leids ums Leben kam.«
    »Ah, so nennt ihr ihn? Wir sprechen von der Katastrophe. Der Tag der Katastrophe. Möchten Sie noch etwas Soße auf Ihr Fleisch, Signora …?«
    »Adèle Lombard. Nein, danke.«
    »Gehören auch Sie zur Kirche? Sind Sie vielleicht Nonne? Da fällt mir ein … Wir haben uns ohne eine richtige Vorstellung an den Tisch gesetzt. Was für eine Geschmacklosigkeit. Ich bin Federico Tanzi, Herzog von Urbino. Meine rechte Hand kennen Sie bereits, Konnetabel Tucci …«
    Durand stellt Adèle, mich und seine Männer vor. Ich glaube, er genießt jede einzelne Silbe, als er mich unverdientermaßen »Oberhaupt der Heiligen Inquisition« nennt.
    »Meine Güte«, seufzt der Herzog. »Die Heilige Inquisition. Na

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