Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
und kann es gar nicht abwarten, diese Leute kennenzulernen.«
»Zu Befehl, Herzog.«
»Gut so, lass sie passieren. Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass die schweren Waffen zurückbleiben. Mit den Pistolen ist so weit alles in Ordnung; daran sind wir gewöhnt. Ohne sie fühlen wir uns nackt. Aber keine Granaten. Und natürlich auch keine Maschinengewehre. Um Himmels willen, nein. Die lasst bitte hier.«
Durand hebt den Kopf und sieht zu den Lautsprechern an der Decke; aus ihnen ist die Stimme des Herzogs gekommen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit und Ihr Verständnis. Es gäbe da noch ein kleines Detail zu klären, das unsere Transportmittel betrifft. Die Wagen sind sehr empfindlich; wir müssen uns ständig um sie kümmern. Mein Feldwebel und sein Helfer lassen sie nie allein. Sie können darin schlafen – die Rücksitze bieten genug Platz und sind bequemer als so manches Bett.«
Die Lautsprecher bleiben stumm.
Nach einigen Sekunden hören wir ein fast kindliches Lachen, dem sich andere lachende Stimmen – zweifellos Frauen – hinzugesellen.
»Sie sind ein komischer Kauz, Hauptmann. Kommen Sie, lassen Sie sich zu mir führen. Sie kommen gerade rechtzeitig zum Frühstück. Lassen Sie es nicht kalt werden.«
Wir verabschieden uns von Wenzel und Bune, den der Hauptmann als Helfer des Feldwebels bezeichnet hat. Als sich Wenzel und Durand die Hand schütteln, bewegen sich ihre Finger auf eine seltsame Weise, und ich vermute, dass Durand dem Feldwebel damit Anweisungen gibt.
Wir lassen die Schmeisser zurück, die Handgranaten und auch unsere Feldrationen – wir leeren praktisch unsere Taschen. Wenzel gibt jedem, der bisher noch keine hatte, eine automatische Pistole. Dann nimmt er zackig Haltung an und grüßt militärisch.
»Wir sehen uns bald wieder, Pauli«, sagt Durand.
»Jawohl, Herr Hauptmann. Seien Sie vorsichtig da oben, Herr Hauptmann.« Wenzel benutzt das »Sie«, das er offenbar für offizielle Anlässe reserviert hat.
»Und seid ihr vorsichtig hier unten.«
»Darauf können Sie sich verlassen, Herr Hauptmann.«
»Haltet die Augen offen und eure Waffen bereit.«
Sie gehen auseinander. Wenzel nimmt wieder am Steuer Platz. Bune sitzt bereits im zweiten Wagen; diesmal hat er auf seine dummen Scherze verzichtet und zeigt sich ernst.
Tucci und seine Männer leuchten mit sehr alt wirkenden Öllampen, als sie uns zum Ende der Tiefgarage geleiten, zu einer geschlossenen Feuerschutztür.
Mit dem Kolben seiner Pistole schlägt Tucci gegen die Tür, die sich daraufhin einen Spaltbreit öffnet.
»Bitte, kommen Sie«, sagt der Konnetabel und deutet auf eine nach oben führende Wendeltreppe. Dann schlägt er einem der Lampenträger auf den Nacken.
»Na los, Dummkopf. Sag unseren Gästen, wo wir sind.«
Der braunhaarige junge Mann schneidet eine schmerzerfüllte Grimasse und beginnt zu erklären:
»Wir sind im Innern des ›Torrione del Mercatale‹. Dieser Wachtturm war die wichtigste Verteidigungseinrichtung auf dieser Seite der Stadt. Erbaut wurde er im fünfzehnten Jahrhundert vom großen Architekten Francesco di Giorgio Martini. Er reicht vom Mercatale, der Tiefgarage, bis zur Kuppe des Felsens, auf dem Urbino steht. Früher einmal gab es einen Eingang in Bodenhöhe, aber der Vater des jetzigen Herzogs hat ihn aus Sicherheitsgründen zumauern lassen. Der einzige Zugang ist jetzt die Tiefgarage.«
Der junge Mann, der mit einem starken neapolitanischen Akzent spricht, beschreibt Einzelheiten des Gebäudes, während wir die Rampe hochgehen und an kleinen Fenstern vorbeikommen, die ebenfalls zugemauert sind und früher einmal der Verteidigung gedient haben.
»John …«, flüstert mir Hauptmann Durand zu.
»Ja?«
»Was zum Teufel ist ein Konnetabel? «
»Ich weiß nicht, was er hier ist. Die Amtsbezeichnung geht auf das Ende des Römischen Reiches zurück. Das Wort stammt vom lateinischen comes stabuli ab und betrifft den für die Kontrolle der kaiserlichen Reitställe zuständigen Beamten. Später wurde ein militärischer Grad daraus …«
Davide Tuccis Stimme zerschneidet die Stille.
»He, ihr beiden! Es ist unhöflich, miteinander zu flüstern! Glaubt ihr, der Junge hat Unsinn erzählt? Dafür lasse ich ihn auspeitschen!«
»Nein, er weiß gut Bescheid«, erwidere ich schnell. »Wir staunen nur darüber, wie gut organisiert ihr seid.«
In Tuccis Augen erscheint so etwas wie Stolz.
»Ja, das sind wir, gut organisiert. Das verdanken wir dem Herzog und seinem armen
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