Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)
sein könnten. Sie sind einfach im Zahlenreich vorhanden wie Goldkörner im Schlamm Alaskas, aber das Gold der Primzahlen schien wertlos zu sein.
In den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts stellte sich plötzlich heraus, dass dem nicht so ist. Primzahlen, vor allem große Primzahlen, sind unerhört viel wert, mehr als Gold und Edelstein. Denn sie verhelfen zu ungeahnter Macht. Um das verstehen zu können, müssen wir uns in die düstere Welt der Spione begeben.
Eine Zahl, die aus der Kälte kam
Wir versetzen uns in die Zeit des Kalten Krieges, als aus der Sicht der Geheimdienste die Welt noch „in Ordnung“ war. Die Briten und Amerikaner waren auf der Seite des Westens, die Russen auf der des Ostens, und dazwischen schien für ewig unverrückbar ein Eiserner Vorhang errichtet. Er trennte zwei Welten.
Es war die Zeit des George Smiley, des Helden der frühen Romane von John le Carré, in den BBC-Mehrteilern „Dame, König, As, Spion“ (1979) und „Agent in eigener Sache“ (1982) grandios verkörpert von Sir Alec Guinness, in der brillanten Kinofassung (2011) des erstgenannten Buchs dann von Gary Oldman.
Einst, in den späten Dreißiger- und den Vierzigerjahren, hatte die britische „Intelligence“ – ein besserer Namefiel den Gründern des Geheimdienstes für ihre Firma, die sie später flapsig den „Circus“ nannten, nicht ein – mit George Smiley als einem ihrer besten Agenten noch unzweifelhaft für das Gute gestritten: gegen Hitler und, als nach dessen Untergang die Sowjetunion vom Verbündeten zum Feind wurde, auch gegen Stalin. Doch nun, in den 70er Jahren, verkam in Smileys Augen der einst heroische Kampf zum zynischen Spiel. Die moralisch tönenden Ansprüche, mit denen sich die Agenten über Wasser hielten, klangen zunehmend hohl. „Man muss“, so sagten die Obersten des Circus, „dreckige Dinge tun, um dafür sorgen zu können, dass die Bürger unseres Landes ruhig in ihren Betten schlafen.“ Aber Smiley wusste, dass sie sich damit selbst belogen: um die Schuldgefühle zu unterdrücken, wenn wieder einmal angeworbene Verräter vom Feind enttarnt und an die Wand gestellt wurden. Hin- und hergerissen von peinigenden Gewissensbissen einerseits und der unverbrüchlichen Loyalität andererseits, kündigte er alle 14 Tage mit der festen Absicht, sich zur Ruhe zu setzen und seiner Lieblingsbeschäftigung, der Lektüre von Literatur des deutschen Barock, zu frönen. Um ein paar Tage später, manchmal salbungsvoll von aalglatten Bücklingen aus dem Ministerium gerufen, wieder im Circus aufzukreuzen und erneut für Englands Ehre ins Feindesland, in die Kälte zu gehen.
Von dort, genauer aus der Hauptstadt der damaligen Tschechoslowakei, so wollen wir unsere fiktive Geschichte, in der Primzahlen die entscheidende Rolle spielen, beginnen, bittet er den Circus um Hilfe: Ein Agent soll, ausgerüstet mit Decknamen und falschen Papieren, durch den Eisernen Vorhang zu ihm dringen. Smiley will aber nicht irgendeinen, sondern einen ganz bestimmten Agenten treffen: den mit der Nummer 007, keinen anderen. Liebhaber John le Carrés wissen, dass man sich 007 nicht wie James Bond vorstellen darf. Der Agent ist vielmehr ein unauffällig aussehender Mann, durch die harte Ausbildung und jahrelange Tätigkeit im Feld zu einem eiskalten Zyniker verkommen; kräftig, verschlagen und – soweit man es von Leuten zweifelhafter Herkunft erwarten darf – verlässlich und gehorsam.
Wie aber gelingt es Smiley, seinen Leuten in London mitzuteilen, dass sie den Agenten mit der Nummer 7 zu ihm senden sollen? Würde er diese Zahl funken oder in einem Brief aufzeichnen, es wäre der glatte Wahnsinn. Denn Smiley weiß: Seine Funksprüche werden abgehört, seine Briefe abgefangen. Sobald die Spione des Ostens die Nummer 7 hören oder lesen, ist der Agent enttarnt, bevor er noch beim Eisernen Vorhang angekommen ist.
Noch verrückter wäre es, nicht die Nummer, sondern den Namen des Agenten nach London zu funken oder zu schreiben. In den Karteikarten des Ostens sind alle Namen und Decknamen der dort bekannten britischen Agenten, zu denen 007 als alter Hase zählt, verzeichnet.
Darum muss sich Smiley entschließen, den Namen des Agenten auf eine geschickte Weise zu tarnen: zu verschlüsseln.
Seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte, seitdem die Schrift und die Zahlen erfunden waren, seitdem Rivalitäten, gar Kriege zwischen Völkern herrschten, bemühten sich schlaue Köpfe darum, möglichst geschickt Mitteilungen
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