Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)
2047 ist das Produkt von 23 und 89.
Ganz Schluss aber ist nicht. Mersenne überprüfte, ob sein Rezept vielleicht noch bei anderen Primzahlen als Hochzahlen wirkt. Tatsächlich stellt er fest, dass
2
13
− 1 = 8191, 2
17
− 1= 131 071 und 2
19
− 1 = 524 287
Primzahlen sind. Er behauptete, dies träfe auch für die Hochzahlen 31, 67, 127 und 257 zu, sonst aber für keine dazwischen. Ein wenig irrte er sich: Nicht 2 67 − 1, sondern 2 61 − 1ist eine Primzahl, auch 2 89 − 1 und 2 107 − 1 sind Primzahlen,dafür ist 2 257 − 1 keine Primzahl.Die Hochzahlen unter 500, bei denen die Differenz der Zahl 1 von der entsprechenden Zweierpotenz eine Primzahl liefert, lauten:
2, 3, 5, 7, 13, 17, 19,31, 61, 89, 107, 127.
Die größte dieser Differenzen, die aus 39 Stellen bestehende Zahl
2
127
− 1 = 170 141 183 460 469 231 731 687 303 715 884 105 727,
wurde erst 1876 vom französischen Gymnasiallehrer Edouard Lucas als Primzahl identifiziert. Es ist die größte Primzahl, die jemals mit Hand berechnet wurde.
Erst ab 1950 hat man mit elektronischen Rechnern nach dem Rezept von Mersenne noch größere Primzahlen ermittelt und fand bei über dreißig weiteren Differenzen der Zahl 1 von Zweierpotenzen riesige Primzahlen, darunter welche mit mehr als einem Dutzend Millionen Stellen.
Pierre de Fermat wollte seinen Brieffreund Mersenne in der Suche nach großen Primzahlen übertrumpfen. Er brütete ein anderes Rezept aus, das folgendermaßen lautet: Offenkundig ist 3, die Summe von 1 und 2, eine Primzahl, genauer: die erste ungerade Primzahl. Addiert man zu ihr 2, erhält man wieder eine Primzahl, nämlich 3 + 2 = 5. Nun multiplizierte Fermat diese beiden Primzahlen und addierte wieder 2. Er berechnete also 3 × 5 + 2 und erhielt so 17. Auch dies ist eine Primzahl. Als Nächstes multiplizierte er seine drei so gefundenen Zahlen – ihm zu Ehren werden sie „Fermatsche Zahlen“ genannt – und addierte wieder 2. Jetzt bekam er bereits eine recht große Zahl, nämlich
3 × 5 × 17 + 2 = 257,
und auch sie ist Primzahl. Fermat war von seinem Rezept fasziniert. Er addierte zum Produkt der ersten vier Fermatschen Zahlen 3, 5, 17, 257 die Zahl 2, erhielt die fünfte Fermatsche Zahl
3 × 5 × 17 × 257 + 2 = 65537
und mühte sich viele Stunden ab, um zu kontrollieren, ob diese Zahl eine Primzahl ist. Sie ist es. Jetzt begann er, an die universelle Gültigkeit seines Rezepts zu glauben. Begeistert schrieb er 1640 in einem Brief an Frenicle de Bessy: „Aber hier ist das,was ich am meisten bewundere: Es ist, dass ich nahezu überzeugt bin, dass die Zahlen 13
1 + 2 = 3, 1 ×
3 + 2= 5, 1 × 3 × 5+ 2 = 17,
1 × 3 × 5 × 17 + 2 = 257,
1 × 3 × 5 × 17 × 257 + 2 =65 537,
1 ×
3 × 5 × 17 × 257 × 65 537 + 2 = 4 294 967 297,
und die folgende aus zwanzig Ziffern bestehende Zahl
1 × 3 × 5 × 17 × 257 ×
65 537 × 4 294 967 297 + 2 =
18 446 744 073 709 551 617; etc.
Primzahlen sind. Ich habe dafür keinen exakten Beweis, habe aber eine große Anzahl von Teilern durch unfehlbare Beweise ausgeschlossen, und meine Überlegungen beruhen auf einer solch klaren Einsicht, dass ich kaum fehlgehen kann.“
Hier ist sie, dieZahl 4 294 967 297, von der wir zu Beginn des Kapitels ausgegangen sind. Sie ist die sechste Fermatsche Zahl. Selbst heute ist es, wenn einem nur Bleistift und Papier zur Verfügung stehen, allzu zeitraubend zu überprüfen, ob diese Zahl eine Primzahl ist.
Zwei große Zahlen miteinander zu multiplizieren ist leicht. Herauszufinden, aus welchen Teilern eine große Zahl besteht, ist hingegen außerordentlich mühsam. 1732, knapp hundertJahre nachdem Fermat diesen Brief verfasst hatte, entdeckte der emsige Schweizer Mathematiker Leonhard Euler, dass sich Fermat in seiner Überzeugung irrte: Die sechste Fermatsche Zahl 4 294 967 297 ist durch 641 teilbar. 14
Dieser kleine Lapsus schmälert keineswegs Fermats überragendes Talent im Aufspüren von geheimen Gesetzen hinter den Zahlen. Übrigens hat man die weiteren, auf 4 294 967 297 und 18 446 744 073 709 551 617 folgenden Fermatschen Zahlen untersucht und bislang keine weitere Primzahl unter ihnen gefunden. Und da die Fermatschen Zahlen explosionsartig wachsen, sind solche Untersuchungen unerhört subtil.
Lange Zeit war es pures Vergnügen weltfremd versponnener Zahlenliebhaber, sich mit Primzahlen zu beschäftigen. Denn es schien nichts zu geben, wozu Primzahlen gut
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