Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
Vom Netzwerk:
Der erste große Gegner der Alchemie war der irische Naturforscher Robert Boyle. 1661 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „The Sceptical Chymist“, in dem er mit den Scharlatanen seiner Zeit abrechnete und sich über die Versuche der zeitgenössischen Goldmacher lustig machte. Nach der Durchführung vieler Versuche erkannte Boyle, woraus sich der „Stoff der Schöpfung“ – ein schönes Wort des Physikers Heinz Haber – zusammensetzt. Boyle behauptete, dass die Natur einige elementare Stoffe geschaffen habe, die fundamental existieren und die man nicht künstlich erzeugen könne.
    Diese Urstoffe nannte er Elemente. Seiner Meinung nach war jeder Versuch zum Scheitern verurteilt, aus Blei oder Quecksilber Gold machen zu können. Gold sei ein Element – und damit chemisch unzerstörbar und unherstellbar.
    Andere Stoffe, wie zum Beispiel Wasser oder Zinnober, sind keine Elemente, sondern chemische Verbindungen. Setzt man Wasser einer elektrischen Spannung aus, zerfällt es in Wasserstoff und Sauerstoff. Erhitzt man Zinnober mit einer Flamme, zerfällt es in Quecksilber und Schwefel.
    Was für die Stoffe in der Natur gilt, stimmt auch für die Zahlen in der Mathematik. Auch sie setzen sich aus „Urbausteinen“ zusammen. Aber in der Mathematik muss man unterscheiden, ob man die Zahlen mit dem sehr einfachen Rechengesetz der Addition oder dem etwas komplizierteren Rechengesetz der Multiplikation erzeugt.
    Die Entstehung der Zahlen aus der Addition ist wirklich simpel. Man geht von der ersten Zahl 1 aus. Wenn man zu ihr andauernd eins addiert, erhält man 2, 3, 4, … – alle Zahlen. Dahergibt es nur ein „Element“, aus dem sich alle Zahlen zusammensetzen: die Eins.
    Die Entstehung der Zahlen aus der Multiplikation ist ein wenig verworrener, dafür auch interessanter: Wieder gehen wir von der Zahl 1 als erster Zahl aus. Aber man kommt mit der Eins, wenn man multipliziert, nicht über sie hinaus: Wie oft man auch 1 mit sich selbst multipliziert, immer wird nur 1 das Ergebnis sein.
    Das erste eigentliche „Element“ der Zahlen – aus der Sicht der Multiplikation – ist die Zahl 2. Aus ihr entstehen der Reihe nach die Zahlen 2  ×  2 = 2 2 = 4, 2  ×  2  ×  2 = 2 3 = 8, 2  ×  2  ×  2  ×  2 = 2 4 = 16 und so weiter. Aber alle Zahlen erhält man auf diese Weise noch nicht. Die kleinste Zahl, die in dieser Liste fehlt, ist 3. Daher hat man neben 2 auch noch 3 als „Element“ im Zahlenreich aufzunehmen. Solche „Elemente“ wie 2 oder 3 nennt man in der Mathematik Primzahlen – ein Wort gebildet aus dem lateinischen „primus“, der Erste. Denn man beginnt mit den Primzahlen, alle Zahlen aus Multiplikationen zu bilden.
    Mit den Primzahlen 2 und 3 kommt man beim Multiplizieren zu den Zahlen 2  ×  2 = 4, 2  ×  3 = 6, 2  ×  2  ×  2 = 8, 3  ×  3 = 9, 2  ×  2  ×  3 = 12 und so weiter: Wie man sieht, werden noch immer nicht alle Zahlen dargestellt. Die nächsten Zahlen, die in der Liste fehlen, sind 5 und 7. Auch sie sind Primzahlen.
    Es war der brillante Einfall der griechischen Gelehrten Euklid von Alexandria und Eratosthenes von Kyrene, beide eine Generation nach Alexander dem Großen in der Bibliothek von Alexandria tätig, diesen Gedanken auszubauen:
    Euklid fand heraus, dass mit keiner endlichen Liste von Primzahlen alle Zahlen als Produkte der Primzahlen aus der Liste dargestellt werden können. Welche Produkte man aus den Primzahlen der endlichen Liste auch immer bildet, nie werden alle Zahlen von diesen Produkten erschlossen. Euklid begründet dies so: Er berechnet das Produkt aller Primzahlen der Liste und addiert zu diesem Resultat die Zahl 1. Auf diese Weise hat er eine Zahl gefunden, die durch keine Primzahl der Liste teilbar sein kann. Diese Zahl ist daher kein Produkt von Primzahlen der vorgelegten Liste.
    Verdeutlichen wir Euklids Überlegung anhand eines konkreten Beispiels: Angenommen, jemand behauptet, die Zahlen 2, 3, 5, 7, 11 und 13 bildeten die Gesamtheit aller Primzahlen, mehr gäbe es nicht. Dann müsste, so argumentiert Euklid, die Zahl 2  ×  3  ×  5  ×  7  ×  11  ×  13 + 1, die sich als 30 031 errechnet, als Produkt von Primzahlen dieser Liste schreiben lassen. Doch das ist sicher falsch: Durch keine der Primzahlen der Liste ist 30 031 teilbar, immer bleibt bei der Division der Rest 1. Und weil 30 031 nicht als Produkt der Primzahlen aus der Liste 2, 3, 5, 7, 11, 13 geschrieben werden kann, muss es mehr Primzahlen als

Weitere Kostenlose Bücher