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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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Bildschirm nur endlich viele Pixel, eine endliche Auflösung. Allein in unserem Denken, in unserer Imagination gibt es das Unendliche. Allerdings nicht als etwas Vorgegebenes, sondern bloß als Idee des Nicht-zu-Ende-kommen-Könnens.
    In Träumen, in denen man nach etwas greifen möchte, aber der Arm um ein ganz klein wenig zu kurz ist: Die Anstrengung wird erhöht, man beugt sich noch weiter vor, und noch immer gelingt es nicht, das Begehrte zu fassen; immer tiefer wird das Verlangen, immer verzweifelter das Bemühen, immer knapper zieht sich das zu Erreichende vor den gierenden Fingern zurück. Bis man erwacht. Und obwohl Träume, so berichten Schlafforscher, nur ein paar Sekunden dauern, scheinen sie für die schlafende Person endlos zu sein.
    In Michelangelos Fresko von der Erschaffung der Welt in der Sixtinischen Kapelle findet man dieses unstillbare Verlangen, diesen ewigen Wunsch, einander zu erreichen, dieses unendliche Sehnen in der eigenartig dramatischen Distanz vermittelt, welche den Zeigefinger der rechten Hand des allmächtigen Schöpfers vom Zeigefinger der linken Hand Adams trennt. Nur ein leises Strecken von Adams Finger wäre für die Vollendung des Menschen vonnöten. Doch, und dies ist Michelangelos Botschaft, wir werden im Diesseits wohl unendlich lang auf des Menschen erlösende Bewegung warten müssen.
    In Momenten des Glücks, in denen man wünscht, sie mögen nie, nie zu Ende gehen. Wenn die Hoffnung erwacht, die Liebe, die einem geschenkt wurde, werde auf ewig bestehen. Und obwohl Ernüchterung droht, ja so sicher ist wie das Amen im Gebet, ist dieses kindliche Verlangen nach dem unaufhörlichen Glück vorhanden. „Weh spricht: Vergeh!“, dichtete Nietzsche ein wenig weinerlich, „Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit.“
    In einigen der Erzählungen Kafkas, am ergreifendsten wohl in der „Kaiserlichen Botschaft“, die berichtet, wie der Bote des auf dem Totenbette hingestreckten Kaisers mit einer Nachricht, einer Botschaft des Sterbenden zu „dir, dem Einzelnen, dem jämmerlichen Untertanen, dem winzig vor der kaiserlichen Sonne in die fernste Ferne geflüchteten Schatten“ eilt. Zuerst muss der Bote Paläste und Treppen und Höfe durchmessen, eine schiere Unzahl von aufeinanderfolgenden Palästen, Treppen, Höfen innerhalb des kaiserlichen Gefildes. Sie sind gleichsam ein Abbild des abzählbar Unendlichen, denn Kafka macht uns eindringlich klar, dass der Bote sie der Reihe nach zu durchlaufen sucht, aber niemals, niemals alle überwinden wird. Doch selbst wenn ihm dies gelänge, und er stürzte „endlich aus dem äußersten Tor – aber niemals, niemals kann es geschehen –,liegt erst die Residenzstadt vor ihm, die Mitte der Welt, hochgeschüttet voll ihres Bodensatzes. Niemand dringt hier durch und gar mit der Botschaft eines Toten“, hören wir Kafka berichten und haben das Bild dieser riesig chaotischen Stadt, das überabzählbar Unendliche, vor Augen.
    „Du aber sitzt an deinem Fenster und erträumst sie dir, wenn der Abend kommt“, beendet Kafka die Erzählung von der kaiserlichen Botschaft. Deutet er damit an, dass wir dem Unendlichen wenigstens in Träumen, Gefühlen, Ahnungen begegnen können?
    Und was ist mit unserer Reflexion, unserem rationalen Vermögen? Hier ist die Mathematik gefordert. Die Zahlen 1, 2, 3, … sind die Sprossen auf der Leiter ins Unendliche und zugleich die Bausteine aller Gedanken. Mit unserem Denken klimmen wir uns an dieser Leiter empor. Aber das Unendliche selbst ist keine Zahl. Es ist deren Hintergrund, ohne den das Zählen selbst undenkbar wäre. Darum gibt auf die Frage, was die Mathematik sei, Hermann Weyl die beste aller Antworten:
    Mathematik ist die Wissenschaft vom Unendlichen .

Anmerkungen
       1 Die gleiche Einteilung des Jahres schlugen in der Moderne die Vertreter des Nationalkonvents Frankreichs nach der Revolution des Jahres 1789 vor: Ab dem 22. November 1792, so entschied man, habe ein neuer Kalender zu gelten: Jedes Jahr besteht aus 12 Monaten, die ihrerseits je drei Dekaden zu je zehn Tagen haben. Am Ende des Jahres, das im Revolutionskalender nach der Ernte zu Herbstbeginn festgelegt wurde, folgen fünf und in jedem vierten Jahr sechs Feiertage, die schöne Namen trugen: Jour de la Vertu, Tag der Tugend, Jour du Génie, Tag des Geistes, Jour du Travail, Tag der Arbeit, Jour de l’Opinion, Tag der Meinung, Jour des Récompenses, Tag der Belohnung, und an Schaltjahren Jour de la Révolution, Tag der

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