Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)
Revolution. Auch die Monatsnamen klangen poetisch und wurden den Jahreszeiten entsprechend geformt: im Herbst Vendémiaire, an die Weinlese erinnernd, Brumaire, denn das französische brume ist der Nebel, Frimaire, denn das französische frimas ist der Raureif; im Winter Nivôse, auf den Schnee verweisend, Pluviôse, auf den Regen verweisend, Ventôse, auf den Wind verweisend; im Frühling Germinal, das lateinische germen ist die Knospe, Floréal, das lateinische flos ist die Blume, Prairial, das lateinische pratrum ist die Wiese; im Sommer Messidor, denn das lateinische messis bedeutet Ernte, Thermidor, denn das griechische thérmis bedeutet warm, und Fructidor, denn das lateinische fructus bedeutet Frucht. Allen schönen Namen zum Trotz war der Kalender im Volk nicht beliebt. Denn nur jeder zehnte, und nicht wie im jüdischen und später im christlichen Kalender üblich jeder siebente Tag galt als arbeitsfreier Tag. 1806 kehrte Frankreich durch ein Dekret Napoleons wieder zum christlichen Kalender zurück.
2 Bis heute wissen wir nicht genau, wie die römischen Rechenmeister bei solchen Rechnungen vorgegangen sind. Allgemein nimmt man an, sie haben ein Verfahren verwendet, das schon ägyptischen Gelehrten bekannt war. Wir wollen es am Beispiel der beiden Zahlen LVII und LXXV vorführen: Zuerst schreibt man die beiden Zahlen nebeneinander:
LVII LXXV
Danach notiert man unter der ersten Zahl deren Hälfte, dann von dieser Hälfte wieder die Hälfte, danach wieder die Hälfte, und so fort, bis man zur Zahl I gelangt. Und wenn eine ungerade Zahl halbiert werden soll, dann halbiert man statt ihrer die um eins kleinere gerade Zahl.
Wir zeigen dies ausführlich am Beispiel LVII: Zunächst schreiben wir sie als XXXXX V II, dann noch detaillierter als XXXX VVV II, schließlich als XXXX VV IIIIIII, denn jetzt können wir sie halbieren: XX V III. Eigentlich wären am Zahlenende sieben Einer zu halbieren, aber wir halbieren nur sechs von ihnen, das siebente I beachten wir einfach nicht. Darum sieht die Liste nun folgendermaßen aus:
LVII LXXV
XXVIII
Um die Hälfte von XXVIII berechnen zu können, schreiben wir diese Zahl als XX IIIIIIII und bekommen als deren Hälfte X IIII. Damit lautet die Liste:
LVII LXXV
XXVIII
XIIII
Weil sich XIIII als VV IIII schreiben lässt, lautet deren Hälfte V II. Die weiteren Hälften findet man sehr schnell: Statt VII, also IIIIIII, wird die um eins kleinere gerade Zahl IIIIII zu III halbiert; und statt III wird die um eins kleinere gerade Zahl II zu I halbiert. Also lautet die Liste aller Hälften so:
LVII LXXV
XXVIII
XIIII
VII
III
I
Nun werden unter der rechten Zahl LXXV die Doppelten der jeweils darüber stehenden Zahlen notiert. Also wird als erstes LXXV verdoppelt. Dies ist zunächst LL XXXX VV, folglich C XXXX X, was sich zu CL vereinfacht. Dann wird CL verdoppelt, man erhält zunächst CC LL, was sich zu CCC vereinfacht. Darum ergänzt man in der Liste nach den beiden ersten Verdopplungen um die folgenden Einträge:
LVII LXXV
XXVIII CL
XIIII CCC
VII
III
I
Nun müssen, damit gleich viele Verdopplungen wie Halbierungen erfolgen, noch drei weitere Verdopplungen durchgeführt werden: Aus CCC entsteht durch Verdopplung CCCCCC, was sich zu DC vereinfacht. Aus DC entsteht durch Verdopplung DD CC, was sich zu MCC vereinfacht. Und aus MCC entsteht durch Verdopplung MMCCCC:
LVII LXXV
XXVIII CL
XIIII CCC
VII DC
III MCC
I MMCCCC
Damit hat man die Hauptarbeit des Multiplizierens erledigt. Jetzt muss man nur noch zwei Schritte durchführen: Nach einer bizarren Geheimregel der alten ägyptischen Gelehrten sind die ungeraden Zahlen die „guten“ Zahlen und die geraden Zahlen die „bösen“ Zahlen. Immer wenn auf der linken Spalte eine gerade, also eine „böse“ Zahl auftaucht, ist diese Zeile zu streichen, damit nur die Zeilen mit den „guten“ Zahlen auf der linken Seite übrig bleiben:
LVII LXXV
XXVIII CL
XIIII CCC
VII DC
III MCC
I MMCCCC
Denn XXVIII (also 28) und XIIII (also 14) sind „böse“ Zahlen, alle übrigen Zahlen in der linken Spalte sind ungerade, also „gut“. Im letzten Schritt addiert man alle Zahlen der rechten Spalte, die nicht durchgestrichen sind, sich also auf „guten“ Zeilen befinden. Dies ergibt, nach
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