Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)
Symbolen geordnet, zunächst
MM M D CCCC CC C L XX V.
Das Ergebnis vereinfacht sich zu MMM DD CC L XX V, in einer letzten Vereinfachung zu MMMMCCLXXV. Wir schreiben heute dafür 4275, und dies ist auch wirklich das Produkt von 57 mit 75.
3 Zuweilen glaubt man, Mathematik zeichne sich dadurch aus, dass in ihr alle Ergebnisse ganz exakt berechnet werden. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Oft genügt es, wenn man nur den ungefähren Wert eines Resultates kennt, man also gut schätzen kann. Ist es doch beeindruckend, dass die oben durchgeführte einfache Überlegung wenigstens die Größenordnung des auf dem Schachbrett liegenden Reises mitteilt, ohne dass man dafür irgendein Rechengerät oder stundenlange Zwischenrechnungen benötigt.
Wer es aber genauer wissen will, kann zusätzlich den folgenden Gedanken ins Spiel bringen: Immer wenn wir 1024, die exakte Zahl, durch 1000 = 10 3 , die für das Rechnen bequeme Näherung, ersetzten, leisteten wir uns einen Fehler von 2,4 %. Diesen Fehler zuungunsten der Reismenge haben wir beim 11., beim 21., beim 31., beim 41., beim 51. und beim 61. Feld, also sechsmal begangen. Daher haben wir insgesamt mit einem Unterschied von 6 × 2,4 % = 14,4 %, also von rund 15 % zwischen den grob geschätzten 16 Trillionen Körnern und den tatsächlich auf dem Schachbrett aufzustapelnden Reiskörnern zu rechnen. Weil 15 % von 16 den Wert 2,4 ergeben, sind rund 2,4 Trillionen zu den 16 Trillionen Körnern zu addieren. Darum beträgt die Summe der Reiskörner auf dem Schachbrett ziemlich genau 18,4 Trillionen Körner.
Mit einer guten Rechenmaschine ausgerüstet, kann man die genaue Zahl mühsam ermitteln, indem man die 64 Zahlen, mit 1 beginnend und die nächste immer doppelt so groß wie die vorherige, addiert: Es sind genau
18 446 744 073 709 551 615 ,
also 18 Trillionen 446 Billiarden 744 Billionen 73 Milliarden 709 Millionen 551 Tausend und 615 Körner Reis. Es gibt, nebenbei bemerkt, eine einfachere Methode, wie man zu dieser exakten Summe gelangt: Die Summe aller vorherigen Zahlen ist nämlich immer das Doppelte der letzten Zahl minus eins. Zum Beispiel ist die Summe der Körner der ersten Reihe
1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + 64 + 128 = 2 × 128 − 1 = 256 − 1 = 255 .
Daher kann man, um die Summe aller Körner auf dem Schachfeld zu ermitteln, die Zahl zwei 64-mal mit sich selbst multiplizieren und vom Ergebnis
18 446 744 073 709 551 616
eins abziehen.
4 Wie leicht man in die Irre geführt werden kann, belegt das folgende Beispiel: Angenommen, die Erde sei eine exakte Kugel mit 40 000 km Umfang am Äquator. Um diesen werde eine 40 000 km lange Schnur straff gespannt. Dann löst man die Spannung ein wenig, indem man die Schnur um 10 Zentimeter verlängert. Wie weit ist, wenn diese Verlängerung gleichmäßig entlang des ganzen Äquators verteilt wird, die Schnur dann von der Erdoberfläche entfernt? Kann ein Sandkorn, das einen Durchmesser von einem Hundertstel Millimeter besitzt, unter der Schnur hindurchschlüpfen? Die erstaunliche Antwort lautet: Sogar ein mehr als ein Zentimeter dicker Finger passt noch locker unter die Schnur – gleichzeitig und überall an allen Stellen der Erde.
5 Hipparch berücksichtigte, dass der Schatten der Erde nicht zylindrisch ist, sondern die Form eines Kegels hat. Den Öffnungswinkel dieses Kegels, der zugleich für die Verkürzung des Schattendurchmessers mit der Entfernung steht, konnte Hipparch aus der Größe der Sonnenscheibe ableiten. Die geschickte Verwendung von trigonometrischen Sätzen, die damals den griechischen Mathematikern gut bekannt waren, erlaubte Hipparch die Messung und Berechnung der Mondentfernung, wobei der Fehler seines Ergebnisses nur ein Prozent betrug.
6 Das Argument, das die Erfinder des „Kalküls“ präsentieren, könnte man folgendermaßen zu verteidigen versuchen: Auch „unendlich“ besitzt die Eigenschaft, dass einerseits „unendlich“ um 1 vermindert „unendlich“ bleibt und dass andererseits das Doppelte von „unendlich“ wieder „unendlich“ ist. Daher könnte die Summe
1 + 2 + 4 + 8 + 16 + …
„unendlich“ sein – und das ist offensichtlich ein sinnvolles Resultat. Nur steht diese Verteidigung auf sehr schwachen Beinen:
Erstens kann man mit „unendlich“ sicher nicht so einfach rechnen wie mit Zahlen. Was zum Beispiel ergibt „unendlich“ minus „unendlich“? Null, würde man auf Anhieb sagen. Wenn aber das zweite „unendlich“ in der Differenz
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