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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Problem. Also, ich gehe davon aus, dass der Tod irgendwann zwischen 21 : 00 Uhr und 24 : 00 Uhr der vergangenen Nacht eingetreten ist«, sagte Capelli.
    »Er ist aber bereits vorgestern verschwunden.«
    »Dann hat ihn der Mörder vielleicht zwischengelagert und gewartet, bis ein guter Zeitpunkt gekommen war, um ihn zu vergraben«, spekulierte Capelli. »Bei Josef Anders war es ja ähnlich.«
    »Oder der Mörder wollte uns eine Chance geben, Andreas zu finden. Er hat ja die Nachricht bereits gestern Vormittag in den Briefkasten von Leanders Eltern geworfen. Vielleicht hat er das Rätsel als eine Art Spiel angesehen, und der Einsatz war Andreas’ Leben.« Morell schaute Capelli an. »Ja, so könnte es gewesen sein. Er hat den Brief geschickt und dann ein paar Stunden gewartet – wahrscheinlich waren es sogar zwölf –, und nach Ablauf dieser Zeit hat er Andreas eingegraben. Gibst du mir noch ein Stück?«
    Capelli brach ein kleines Stück Schokolade ab und reichte es ihm. »Du meinst, wir hätten Andreas retten können, wenn wir den Brief nur ein wenig ernster genommen hätten?«
    Morell nickte. Er hatte sich diese Frage schon gestellt, und wie er es auch drehte und wendete, die Antwort lautete stets ›Ja‹.
    »Das konnte man aber beim besten Willen nicht wissen, dass dieser irrwitzige Brief mit seinem verfluchten Rätsel tatsächlich vom Mörder stammte«, sagte Capelli, als sie die Verzweiflung in Morells Gesicht sah. »Wir dürfen uns keine Vorwürfe machen.«
    »Was sollen wir nur tun?«, fragte Morell mit verzagter Stimme.
    »Weitermachen, ermitteln, die Ruhe bewahren«, antwortete sie nüchtern.
    Er atmete tief durch. Sie hatte recht. Er musste ruhig bleiben. Es brachte niemandem etwas, wenn er jetzt seine Nerven verlor. »Okay«, sagte er mehr zu sich selbst als zu der Gerichtsmedizinerin. »Vielleicht gibt’s ja für diesen Mordfall Zeugen. Und dann werde ich noch einmal mit beiden Familien der Opfer sprechen – möglich, dass Joe und Andreas irgendwas gemeinsam hatten. Aber als Erstes werde ich mal mit Leander reden.«
    »Ist er verdächtig?«, fragte Capelli erstaunt.
    »Nein, das nicht. Aber immerhin war er es, der den Brief bekommen hat, und nicht etwa die Polizei oder Andreas’ Frau – was doch eigentlich viel naheliegender gewesen wäre.«
    Capelli nickte. »Bei dem Mord an Joe Anders gab es gar keinen Brief, oder?«, fragte sie.
    »Eben. Anscheinend hat das Auftauchen von Leander bei dem Mörder eine Art Spieltrieb ausgelöst.«
    »Ich habe da noch eine Idee«, warf Capelli ein, »und sie wird dir nicht gefallen.« Sie sah zu ihm hinüber.
    »Ich glaube nicht, dass mein Tag noch schlimmer werden kann. Also schieß los!«
    »Soweit ich das beurteilen kann, war der Täter bei diesem Verbrechen viel risikobereiter als bei Anders. Erstens hat er den Mord relativ kurz nach dem ersten begangen. Das heißt, er hat zu einem Zeitpunkt zugeschlagen, an dem alle Einwohner von Landau in höchster Alarmbereitschaft waren. Und zweitens hat er eine Botschaft geschickt.«
    »Das war mir klar«, nickte Morell. »Und warum soll mir das den Tag versauen?«
    »Weil es sein könnte, dass Anders nicht das erste Opfer gewesen ist.«
    Morell verschluckte sich an seiner Schokolade und musste vor lauter Husten rechts ranfahren. Capelli klopfte ihm auf den Rücken.
Der Chefinspektor hustete so heftig, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. »Was soll das heißen?«, fragte er und bemühte sich, nicht zu hyperventilieren.
    »Normalerweise fangen Serienmörder klein an. Sie müssen sich erst ausprobieren, lernen, sich selbst zu trauen, und entwickeln Selbstbewusstsein. Aber schon der Mord an Joe Anders sah aus wie der eines Profis. Es gehört sehr viel Planung und Kaltblütigkeit dazu, solch eine Tat auszuüben.«
    Morell hustete noch einmal und holte dann tief Luft. Ihm schwante, dass da etwas dran sein könnte.
    Capelli fuhr fort: »Es könnte sein, dass er vorher schon einmal getötet hat, dass der Mord aber nicht als ein solcher erkannt wurde. Vielleicht deshalb auch diese übertriebene Inszenierung der letzten beiden Morde.«
    »Mhm, mhm«, nickte Morell, der sich wieder ein wenig gefangen hatte. Er startete den Wagen und fuhr weiter. »Der Mörder will also durch seine Taten etwas ausdrücken, und nachdem ihn bisher anscheinend keiner verstanden hat, muss er deutlicher werden.«
    »Genau das habe ich gemeint. Sag Bender doch bitte, er möge mir eine Liste aller Todesfälle aus den letzten drei Jahren im Ort machen

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