Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
Vom Netzwerk:
Lorentz und verließ schleunigst das Revier.

»König Laurin band sich den Wundergürtel um,
der ihm die Kraft von zwölf Männern verlieh,
und stellte sich dem Kampf.«
    Die Sage von König Laurin und seinem Rosengar ten
    Die erste Aufgabe am Sonntagmorgen kostete Morell wieder allergrößte Überwindung. Er musste noch einmal zu Beate Adam fahren.
    Morell hätte heulen können. Es war der 19 .Dezember, der letzte Sonntag vor Weihnachten, der vierte Advent. Normalerweise würde er den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück und dem Lesen der Sonntagszeitung beginnen. Anschließend würde er Kekse, Lebkuchen und Weihnachtsstollen backen, Weihnachtsgrüße an Freunde und Verwandte schreiben, den Baum schmücken, Eierlikör zubereiten und am Abend mit Fred auf dem Schoß und einem guten Glas Wein in der Hand ein wenig fernsehen. Aber nein! Stattdessen musste er nicht nur einen, sondern mittlerweile zwei grausame Morde aufklären. Er musste sein heimeliges Haus verlassen, um sich genau mit den Dingen zu beschäftigen, vor denen er vor ein paar Jahren aus Wien geflüchtet war.
    Der Chefinspektor merkte, wie ihm tatsächlich die Tränen in die Augen stiegen. Er musste einen Weg finden, die nächsten Stunden und Tage ohne einen hysterischen Anfall durchzustehen. Seine Nerven brauchten Nahrung. Er ging in die Küche und holte eine
Tupperdose aus dem Schrank. Dann öffnete er den Kühlschrank und machte sich daran, sie zu füllen.
    Als er Beate gestern die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbracht hatte, war er auf alles vorbereitet gewesen. Er war davon ausgegangen, dass sie ihn anschreien und ihm den Kopf abreißen würde. Er war auf Schläge, Beschimpfungen und wüstes Gekreische gefasst gewesen. Stattdessen hatte sie die Nachricht sehr gefasst und mit stoischer Miene aufgenommen. Keine hysterischen Heulkrämpfe und kein Haareraufen. Sie hatte einfach nur dagestanden und genickt.
    Morell hatte das Gefühl gehabt, dass er selbst den Tränen viel näher gewesen war als die frischgebackene Witwe.
    Dieser Mord war für ihn noch schlimmer als der an Josef. Denn ihm ging ständig im Kopf herum, dass er den Tod von Andreas vielleicht hätte verhindern können, wenn er diesen Brief ein wenig ernster genommen hätte. Er fühlte sich überfordert, inkompetent und absolut nicht in der Lage, diesen Fall zu lösen. Und er war sich sicher, dass es nur noch eine Frage von ein paar Tagen war, bis auch andere Menschen das erkannten. Genau aus diesem Grund hatte Morell überhaupt keine Lust, sich mit irgendjemandem zu unterhalten. Am allerwenigsten mit der Familie des Opfers. Aber es musste sein. Er schloss den Deckel seiner Tupperdose, steckte sich schnell ein paar karamellisierte Walnüsse in den Mund und machte sich auf den Weg.
    Beate Adam öffnete die Tür. Ihre Augen waren rot vom Weinen, und ihre dicken schwarzen Locken waren zerzaust, so als hätte sie sich doch noch die Haare gerauft. Ansonsten machte sie nach wie vor einen stabilen Eindruck. Der Chefinspektor folgte ihr ins Wohnzimmer, in dem Beates Schwester, Silvia Messner, auf dem Sofa saß.
    »Es tut mir sehr leid, wenn ich störe«, sagte Morell. »Aber ich muss dir leider noch ein paar Fragen stellen, Beate.«
    Beate nickte.
    »Gibt es irgendjemanden, der einen Grund gehabt hätte, Andreas das anzutun?«
    »Kein Grund kann schwerwiegend genug sein, um jemanden umzubringen«, sagte die Schwester. »Natürlich gab es Menschen, mit denen sich der Andreas nicht gut verstand, aber das ist doch normal.«
    »Nun ja, für Menschen wie dich und mich ist ein kleiner Streit oder eine Meinungsverschiedenheit kein Grund, jemanden zu töten, aber ...«, Morell suchte nach den richtigen Worten, »... aber leider ist nicht jeder so wie wir.«
    »Du meinst, ein G’störter hat den Andreas ermordet?«, sagte Beate und atmete schwer. Ihr voluminöser Busen hob und senkte sich dabei.
    »Für mich ist jeder Mensch, der in der Lage ist, einem anderen das Leben zu nehmen, ein Verrückter. Bitte nennt mir jeden, der euch einfällt, mit dem Andreas in letzter Zeit Unstimmigkeiten hatte.«
    Beate Adam schnäuzte sich. »Karl Kaiser, dieser widerliche Hurentreiber, hat meinen Mann vor ein paar Wochen schrecklich beschimpft und ihm gedroht.«
    ›Sehr interessant‹, dachte Morell. »Und warum, wenn ich fragen darf?«
    »Andreas und ich sind Joes Nachbarschaftsinitiative gegen den Bau von Kaisers Puff beigetreten und haben eine Unterschriftenliste ins Leben gerufen. Und das hat diesem Widerling

Weitere Kostenlose Bücher