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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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blieb weiterhin an der Tür stehen und sah kurz dabei zu, wie sich die beiden Mediziner für ihren Job fertig machten.
    »So, dann breche ich mal auf«, rief er schließlich durch die offene Tür.
    »Was denn, leisten Sie uns gar keine Gesellschaft?«, fragte Dr.Levi.
    »Die Pflicht ruft.« Morell starrte auf die Obduktionsinstrumente, die Capelli gerade fein säuberlich aufreihte. »Ich muss die Angehörigen benachrichtigen. In spätestens einer Stunde bin ich wieder da«, sagte er und stapfte über den Friedhof in Richtung Auto. »Bis dahin seid ihr hoffentlich schon fertig«, ergänzte er still für sich.
     
    »Keine Sorge«, versuchte Capelli ihren Zweitobduzenten zu beruhigen. »Es ist dieses Mal nicht so schlimm wie bei Josef Anders.« Sie deutete mit dem Kopf auf die Bahre, die direkt an der Wand stand und mit einem weißen Tuch zugedeckt war. »Das Opfer kann nicht länger als eineinhalb Tage tot sein und weist deshalb auch keine Verwesungsspuren auf.«
    »Trotzdem kann ich mir gerade schönere Dinge vorstellen, als einen Toten aufzuschneiden.«
    »Hey«, Capelli knuffte ihm mit dem Ellenbogen aufmunternd in die Seite. »Sie haben sich letztes Mal ganz tapfer geschlagen. Ich kenne viele Ärzte, die das nicht so locker weggesteckt hätten wie Sie.«
    »Das ist nett, dass Sie das sagen, aber ich bin mir sicher, dass ich
mich letztes Mal ziemlich blamiert habe.« Er streifte sich langsam die Gummihandschuhe über.
    »Nein, Sie haben das wirklich toll gemacht«, versicherte die Gerichtsmedizinerin noch einmal. »Sie waren vielleicht ein wenig grün im Gesicht und ein bisschen wackelig auf den Beinen, aber alles in allem haben Sie eine saubere Leistung hingelegt.«
    »Ein wenig grün im Gesicht ist gut – ich wäre um ein Haar ohnmächtig geworden. Aber zum Glück waren Sie ja dabei.« Er lächelte verlegen, und Capelli stellte erneut fest, dass der junge Arzt irgendwie süß war.
    »Was hat das denn mit mir zu tun?«, fragte sie.
    Dr.Levi wurde ein wenig rot im Gesicht. »Nun ja«, stammelte er. »Ich, äh, fand Sie sehr sympathisch und wollte mir keine Blöße geben. Ich habe mich wirklich enorm zusammengerissen. Nun ja, ich war wahrscheinlich ... ähm ... nun ja ... wahrscheinlich trotzdem ziemlich unmännlich.«
    Capelli, die nicht wusste, wie sie auf das unerwartete Kompliment reagieren sollte, zupfte nervös an dem Tuch herum, das die Leiche von Josef Anders bedeckte. »Na ja, sie waren vielleicht ein bisschen unentspannt, aber auf keinen Fall unmännlich«, sagte sie und musterte Dr.Levi. Er war nicht so anziehend und attraktiv wie Leander Lorentz, aber er war höflich und nett, und im Gegensatz zu Lorentz schien er sie wirklich zu mögen.
    »Das heißt, Sie halten mich nicht für ein Weichei?«
    Capelli schüttelte den Kopf. »Bisher nicht – aber schauen wir mal, wie Sie sich heute so machen.« Sie zwinkerte und reichte Dr.Levi ein Skalpell.
    Er holte tief Luft. »Wenn ich heute eine gute Vorstellung hinlege, würden Sie dann vielleicht, ähm, mit mir essen gehen?«
    »Wenn Sie hier und jetzt eine gute Vorstellung abliefern, dann werde ich es in Betracht ziehen.« Sie öffnete den Leichensack. »Aber jetzt wollen wir doch als Erstes mal sehen, was der Bäcker uns hier gebacken hat.«
     
    Die Obduktion bestätigte den ersten Eindruck der Gerichtsmedizinerin. Andreas Adam war durch einen Schlag auf den Hinterkopf außer Gefecht gesetzt, danach bei lebendigem Leib begraben und durch den Schnee erstickt worden.
    »Kommen Sie«, Capelli hielt Dr.Levi, der wieder furchtbar blass war, die Zigarettenschachtel unter die Nase. »Gehen wir raus und rauchen eine, das haben wir uns verdient.«
    »Wenn Sie meinen«, erwiderte Dr.Levi und folgte Capelli leicht schwankend nach draußen, wo Morell bereits auf die beiden wartete.
    »Hallo, Otto. Stehst du schon lange hier?«, begrüßte Capelli den Chefinspektor, der ziemlich durchgefroren aussah.
    »Nein«, log Morell, der schon seit mindestens fünfzehn Minuten auf dem Friedhof herumstand, »ich bin gerade erst gekommen. Perfektes Timing.« Er wollte nicht zugeben, dass er lieber erfrieren würde, als einer Obduktion beizuwohnen. »Und? Kannst du mir irgendetwas Neues erzählen.«
    »Nicht wirklich. Die Obduktion hat meine Vermutungen bestätigt. Tod durch Ersticken.« Sie zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch aus.
    »Du, Nina, es ist verdammt kalt hier draußen. Können wir den Rest vielleicht im Auto besprechen?« Morell trippelte hin und her, zog sich seinen

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