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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Chefinspektor wählte die Nummer vom Revier, doch die Leitung blieb tot. »Funktioniert nicht«, sagte er mit Blick aufs Handy. »Dann fahr ich mal los. Bist du sicher, dass du allein hier warten willst?«
    Capelli nickte forsch. Langsam ging Morell zum Auto. Kurz davor drehte er sich noch einmal um. »Tut mir leid wegen gerade«, sagte er. »Kommt nicht wieder vor.«
    »Schon in Ordnung. Von mir erfährt keiner was.«
    »Ich bin froh, dass du da bist. Du hast im richtigen Moment die Ruhe bewahrt.«
    »Ich bin ja auch eine Leichenfledderin«, zitierte Capelli Lorentz. »Ich bin den Anblick gewohnt. Und ich komme ja auch nicht aus
Landau, da sehe ich alles etwas nüchterner. Wenn du möchtest, dann kann ich noch ein paar Tage bleiben, auch wenn der Pass wieder frei ist – als Rückendeckung sozusagen. Ich habe ja noch ein paar Urlaubstage, und es lohnt sich für mich sowieso nicht mehr, nach Italien zu fahren.«
    »Das wäre eine große Hilfe«, sagte Morell dankbar. Am liebsten hätte er Capelli in den Arm genommen und an sich gedrückt. Stattdessen setzte er sich ins Auto und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

»Kein Schall von Flöten oder Lauten töne mehr im Land,
bis zwölfmal sich des Mondes Scheibe füllt.«
    Euripides, Alkestis
    Sehr zu Morells Missfallen hatte Bender sich den Lieferwagen des Bäckers ausgeborgt, um den Leichnam von Andreas Adam in die kleine Friedhofskapelle zu transportieren.
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, fragte Bender genervt, als er von seinem Vorgesetzten mit einem bösen Blick bedacht wurde. »Der Streifenwagen ist zu klein, und sonst war auf die Schnelle kein großes Auto aufzutreiben.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nicht«, brummte Morell, »aber ich werde jetzt jedes Mal an die Leiche denken, wenn ich mir ein Brot oder Croissant kaufe. Und sehr dezent und pietätvoll ist der Wagen auch nicht unbedingt.« Er starrte auf die bunten Törtchen und tanzenden Brezen, die den Wagen zierten. ›Guter Geschmack – etwas anderes kommt uns nicht in die Tüte!‹ war der Slogan der Bäckerei Hausegger. Nun ja, da hatte sich dann wohl doch etwas anderes in die Tüte verirrt oder besser gesagt in den Leichensack.
     
    ...
    Dr.Levi wartete bereits vor der Leichenhalle und rauchte eine Zigarette.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie rauchen«, sagte Capelli kurz nach der Begrüßung, als sie die Rollbahre, auf der Andreas Adam lag, an ihm vorbeischob und neben der von Josef Anders parkte.
    Morell, der ebenfalls erschienen war, starrte wieder den Fußboden an und vermied es tunlichst, einen Blick auf die beiden Toten zu werfen, die nun nebeneinander in dem kalten Raum lagen.
    »Eigentlich habe ich das Rauchen vor fünf Jahren aufgegeben«, sagte Dr.Levi und folgte Capelli. »Aber besondere Anlässe erfordern besondere Maßnahmen. Hier«, er hielt Capelli eine Schachtel Zigaretten hin, »möchten Sie auch eine?«
    »Gerne«, sagte Capelli und bediente sich.
    »Möchten Sie auch, Herr Morell?«, fragte Dr.Levi.
    Der Chefinspektor winkte ab. »Nein, danke.« Und fügte murmelnd hinzu: »Dann wird mir womöglich noch schlechter.«
    »Sie können die Schachtel gerne behalten, Frau Capelli«, bot Dr.Levi an, nachdem sie vor die Tür getreten waren, um zu rauchen. »Ich habe nicht vor, wieder damit anzufangen. Als Herr Morell mich vorhin angerufen hat, brauchte ich einfach etwas, um mich zu beruhigen, und da habe ich mir beim Automaten schnell eine Packung gezogen.«
    »Danke«, sagte Capelli und nahm das Päckchen. »Falls Sie in den nächsten Tagen wieder etwas für Ihre Nerven brauchen, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden.«
    »Wenn Sie richtige Nervennahrung brauchen, habe ich im Auto was für Sie«, sagte Morell, der froh war, dass er nicht mehr in dem unbehaglichen Raum stehen musste.
    »Baldrian, Valium, Tranxilium oder doch ein paar Gramm Haschisch?«, scherzte Dr.Levi.
    »Nichts davon.« Morell konnte über den dummen Witz gar nicht lachen. »Aber ich habe Pistazien-Ziegenkäse-Bällchen, Pumpernickeltaler mit Mango-Lachs-Creme und eine große Tafel Schokolade ...«
    »Danke, Herr Morell«, lächelte Dr.Levi, »aber Appetit habe ich
gerade überhaupt keinen.« Er schielte durch die offene Tür ins Leichenhaus.
    »Gut«, sagte Capelli und trat ihre Zigarettenkippe aus. »Dann mal ran ans Werk.«
    Sie ging gemeinsam mit Dr.Levi wieder hinein, zog sich einen Plastikkittel über und reichte dem Kollegen ebenfalls einen grünen Kittel und ein Paar Gummihandschuhe. Morell

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