Die Zahlen Der Toten
auch nicht zur Diskussion. Wir haben nur einfach das Gefühl, dass Ihnen die Erfahrung fehlt, einen Fall dieses Ausmaßes zu lösen.«
»Tun Sie das nicht«, sage ich zu Auggie.
Der Bürgermeister wendet den Blick ab. »Die Entscheidung ist gefallen.«
Ich blicke einem nach dem anderen ins Gesicht, doch es ist, als würde ich eine Steinmauer anstarren. Sie haben sich entschieden. Zwar ist mir klar, dass der Entschluss eher politische als persönliche Hintergründe hat, aber das mindert nicht meinen Schmerz. Ich habe ein persönliches Interesse an diesem Fall und will ihn zu Ende bringen. »Sie machen einen schweren Fehler.«
Auggie nickt Glock zu. »Officer Maddox, bitte nehmen Sie die Polizeimarke und die Waffe von Chief Burkholder entgegen. Kate, ich gebe Ihnen ein paar Minuten, um Ihre Sachen zusammenzupacken, wenn Sie das wollen. Den Explorer müssen Sie leider hier lassen, es ist ein städtisches Fahrzeug. Officer Maddox wird Sie nach Hause bringen.«
Glock rührt sich nicht vom Fleck, wirft ihm den schönsten Leck-mich-Blick zu, den ich je gesehen habe.
Ich sehe auf meinen Schreibtisch, wo noch immer die Website des Wirtschaftsprüfers von Holmes County auf dem Monitor ist. Es ist mir unvorstellbar, meine Sachen zu packen und zu gehen. Diese Arbeit ist mein Leben. Doch dieser Fall ist zu einer Obsession geworden. Auggie verlässt kopfschüttelnd mein Büro. Janine wirft mir ein wölfisches Lächeln zu und folgt ihm. Tomasetti ist nirgends zu sehen. Ich fühle mich von allen verraten und im Stich gelassen.
Ich sehe Glock an. »Passen Sie auf, dass ich ja auch keine Büroklammern mitnehme?«
Er weicht meinem Blick nicht aus. »Die Arschlöcher haben mich damit überfallen, Chief.«
Seine Loyalität müsste mich trösten, tut es aber nicht. Ich sinke auf den Stuhl, versuche mich zu beruhigen.
Glock setzt sich auf den Besucherstuhl. »Dieser verdammte Johnston.«
Ich reibe mir die Augen. »War Tomasetti involviert?«
»Keine Ahnung.«
Ich überfliege die Papiere auf dem Schreibtisch, meine Notizen, Theorien und Berichte. Die
Schlächter
-Akte. Die Tatortfotos. Dutzende Telefonnachrichten von Leuten, die ich zurückrufen müsste. Wie kann ich einfach gehen, wo noch nichts erledigt ist?
»Chief, wenn das Baby nicht unterwegs wäre, hätt ich gekündigt«, sagt er. »Aber ich brauch die beschissene Krankenversicherung.«
Ich kann mir nicht vorstellen, nie mehr an diesem Schreibtisch zu sitzen. Wenn ich erst einmal durch diese Tür hinausgegangen bin, sagt mir eine innere Stimme, werde ich immer weiter gehen und nie mehr zurückkommen. Aber ich weiß besser als die meisten, dass man vor seiner Vergangenheit nicht weglaufen kann.
»Dann fange ich wohl mal an zu packen.«
Glock sieht niedergeschlagen aus. Ich drücke die Lautsprechertaste des Telefons und wähle Monas Nummer. »Können Sie mir bitte einen Karton bringen?«
Nach kurzer Pause ein zögerliches: »Warum?«
»Bringen Sie ihn einfach, Mona, okay?«
Ich beende das Gespräch. Kurz darauf erscheint sie mit einem leeren Kopierpapier-Karton. Ihr Blick schnellt von mir zu Glock und wieder zu mir. »Was haben die gemacht?«
Ich antworte nicht, doch sie weiß es bereits, es ist in ihren Augen zu lesen. »Chief? Haben die …« Sie bricht den Satz ab.
»Ja«, sage ich.
»Das können die doch nicht machen.« Wieder wandert ihr Blick zu Glock und zurück zu mir. »Dürfen die das?«
»Es steht in meinem Vertrag.«
»Aber Sie sind die beste Polizeichefin, die diese Stadt je hatte.«
»Es ist alles Politik«, brummt Glock.
Wahllos werfe ich meine Sachen in den Karton, ein paar gerahmte Fotos, den Briefbeschwerer aus Messing, den Mona mir zu Weihnachten geschenkt hat. Mein Polizeidiplom und diverse Urkunden hängen an der Wand. Doch was ich wirklich mitnehmen will, aber nicht darf, ist mein verdammter Fall. Ein paar Minuten lang sehen mir Glock und Mona beim Packen zu. Als das Telefon in der Zentrale klingelt, schüttelt Mona den Kopf. »Ich fass es nicht«, sagt sie und eilt davon, um den Anruf entgegenzunehmen.
Richtig demütigend wird es, als Detrick kommt. Er blickt von mir zu Glock, dann zum Karton auf meinem Schreibtisch und sieht schließlich wieder mich an. »Es tut mir leid, dass es so gekommen ist.«
Ich will meine Wut rauslassen. Ich will ihn einen arschkriechenden, rampenlichtsüchtigen, fallklauenden Scheißkerl nennen. Doch stattdessen werfe ich eine Duftkerze in den Karton und sehe ihn stirnrunzelnd an. »Fordern Sie das FBI
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