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Die Zan-Spieler

Die Zan-Spieler

Titel: Die Zan-Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Foster
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Jahre. Sie hatten gut zusammengearbeitet, viel voneinander gelernt. Sie waren enge Freunde geworden, und das Vergnügen an der Gesellschaft des anderen war so gewachsen, wie das bei nur wenigen anderen Personen dieser Art in der Geschichte des Instituts der Fall gewesen war. Nichts war zwischen ihnen geschehen, was tiefer als Freundschaft oder intimer als ein Händedruck gewesen wäre, der Vance übrigens jedesmal merkwürdig und unwirklich vorkam. Man konnte sich so lange einreden, daß die Ler einfach Menschen von kleinem Wuchs und fast kindlichem Aussehen waren, bis man die Hand sah und fühlte. Der innere Daumen war kleiner und feingliedriger als der menschliche Daumen, und der äußere gegenstehende Daumen, der sich aus dem kleinen Finger entwickelt hatte, war kräftiger als das Original. Diese Veränderung ließ die Ler-Hand zu lang und schmal erscheinen, und sie fühlte sich falsch an. Außerdem schien ihnen die Vorstellung der „Händigkeit“ vollkommen zu fehlen. Die Ler schrieben mit jeder Hand gleich gut, da sie das Schreibgerät mit jedem Daumen halten konnten. Und doch fühlte sich Vance auch nach zwanzig Jahren immer noch seltsam berührt, wenn er Fellirian beim Schreiben irgendeiner dienstlichen Notiz den Stift mit einem äußeren Daumen festhalten und diesen dann in die Schreibrichtung führen sah.
    War die Hand auch zum Symbol für das besonders Fremdartige geworden, war sie auch das eine, was sich von den vielen Unklarheiten deutlich abhob, so waren die tatsächlichen Gegebenheiten direkter zum Vorschein gekommen, als er ihren innenverwandten Bruder und (damals) zukünftigen Mit-Gatten kennengelernt hatte. Auch dies beunruhigte Vance unwillkürlich in einer Weise, die er nicht ganz verstehen konnte; die innenverwandten Geschwister hatten keine gemeinsamen biologischen Eltern, wurden jedoch zusammen erzogen. Sie standen sich altersmäßig immer nahe; Altersunterschiede von mehr als einem Jahr kamen so selten vor, daß es sich nicht lohnte, sie zu erwähnen. In mancher Hinsicht waren sie sich näher als Bruder und Schwester bei den Menschen. Ja, in der Tat näher, da die Ler kein Inzest-Tabu kannten. Dieser Umstand griff den alten Streit von der Natur gegen die Erziehung, der Genetik gegen die Kultur auf und kehrte ihn gegen sich selbst. Die innenverwandten Geschwister waren sich ähnlich und unähnlich zur gleichen Zeit.
    So Morlenden: ziemlich ähnlich und vollkommen verschieden. Auf eine kaum spürbare Art, die jenseits von Vances Begriffsvermögen lag, war er ganz wie Fellirian, was Ausdrücke, Redewendungen, Gesten betraf. Aber er sah ganz und gar nicht so aus wie sie. Verglichen mit Fellirians weichen Gesichtszügen hatte Morlenden feste, nahezu gemeißelte Züge. In den Augenwinkeln war die Spur einer Andeutung einer Hautfalte, und sein Blick war direkt und beunruhigend nachdenklich. Aber er war weder streng noch schroff, sondern vielmehr ungezwungen und manchmal zu munteren Streichen aufgelegt. Seine Haut war dunkler als die von Fellirian, von einer Tönung, die eher an den nordamerikanischen Indianer denken ließ als an den Orientalen. Sah man sie getrennt voneinander, so erblickte man in demjenigen, der gerade da war, Spiegelungen des anderen. Vance hatte inzwischen begriffen, daß dies bei allen innenverwandten Geschwistern ähnlich war. Vance konnte sich nicht vorstellen, fünfundvierzig Jahre lang neben der gleichen Person zu liegen, zusammen aufzuwachsen, gelegentlich nach der zwanglosen Art der heranreifenden Ler miteinander zu schlafen und schließlich den Übergang zum zweifachen Familienoberhaupt zu vollziehen. Die Menschen lebten die meiste Zeit in Schlafstädten und hielten die Geschlechter getrennt. Alles andere hatte sich als unpraktikabel erwiesen.
    Wie alle tiefgreifenden Erlebnisse hatte Vance die Bekanntschaft mit Morlenden dazu veranlaßt, seine Ansichten sowohl von Fellirian als auch von der Frau zu überprüfen; sowohl in bezug auf die sekundären Geschlechtsmerkmale als auch auf die Erziehung gab es fast keine Geschlechtsunterschiede zwischen ihnen. Wenn sie angezogen waren, verschwanden die Unterschiede vor dem menschlichen Auge fast völlig. Er glaubte, daß es diese Eigenart war, die die Menschen am meisten störte; ein innerer Trieb. Uns gelüstet es nicht nach dem anderen Geschlecht, sondern nach Jugend und Unschuld. Der Gedanke war da, bevor er Zeit hatte, ihn im Keim zu ersticken. Er weigerte sich, ihn weiterzuverfolgen, selbst ihn zu widerlegen; der Gedanke

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