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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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mit Moschus und Schnupftabak.
    Als die Musik verstummt, kann sie das Klackern von Münzen hören, die nebenan auf den Kartentisch geworfen werden. Und die dumpfen Schläge der Billardqueues, mit denen Holzbälle gedroschen werden.
    Nachdem er die Pflicht der Vorstellung des Hofstaats absolviert hat, weicht der schwedische König Alexandrine nicht mehr von der Seite.
    Alexandrine Pawlowna, die zukünftige Königin von Schweden, ist nach dem Tanz ganz außer Atem. Der König hat sein weiches Samtbarett abgenommen und spielt mit dem juwelenbesetzten Saum. Für einen kurzen Augenblick berührt Alexandrine ihn ebenfalls, rasch und flüchtig, und zieht dann schnell den Finger zurück, als fürchte sie sich. Er redet, und das Kind hört zu, den Blick auf die Spitze ihrer Tanzschuhe aus Satin gesenkt. Doch sie ist nicht gänzlich verstummt, denn hin und wieder lacht er herzlich als Reaktion auf ihre Worte. Man lässt den beiden jungen Liebenden genügend Raum. Niemand möchte das unterbrechen, was so sehnlichst erhofft worden ist.
    Auch der Regent beobachtet die jungen Liebenden schon eine Weile. Nun nähert er sich geschlagen der kaiserlichen Ottomane. Er räuspert sich. »Einige Dinge scheinen vorherbestimmt, Majestät«, sagt er. »Unmöglich, sich ihnen entgegenzustellen. Ebenso wenig wie der Flut. Oder dem Winterschnee.«
    Â»Scheinen?«, fragt sie. Sie hat keine Lust, diesen hässlichen, kahl werdenden Mann daran zu erinnern, dass sie es jedenfalls nicht gewesen ist, die ihren Teil der Abmachung durch diese Mecklenburg-Farce unterminiert hat, deren Auflösung nun wohl bevorsteht.
    Der Regent stößt einen wimmernden Laut aus. Murmelt irgendetwas über missgünstige Menschen, die auf das falsche Pferd gesetzt und eine Sturzflut ausgelöst haben, obwohl sie eigentlich nur einen Schluck Wasser wollten. Man wird ihn in Russland nicht wegen der Treffsicherheit seiner Metaphern in Erinnerung behalten, aber das, was er eigentlich sagen will, verdient Beachtung. Denn wenn er von »bedeutenden Ereignissen, deren Implikationen noch nicht vollständig begriffen sind« spricht, meint er Russlands jüngste Annektionen. Er will damit sagen, dass die Teilung Polens in Schweden nicht gut angekommen ist. Russland wird größer, und Europa hat Angst. Welches Land wird als Nächstes geschluckt werden?
    Â»Es sind noch Verhandlungen erforderlich«, sagt der Regent
mit einem heiseren Flüstern, überzeugt, vage Äußerungen seien schlagkräftiger als direkte Zugeständnisse. »Es sollten verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen, Sicherheitsmaßnahmen vorgeschlagen und gemeinsam beschlossen werden.«
    Die Musik setzt wieder ein. Alexandrine wendet ihr liebliches Gesicht dem König zu. Sie sagt etwas, und er blickt sie hingerissen an. Dann hält er sich die Hand vor den Mund, als wäre es ihrer Enkelin gelungen, ihn noch mehr zu erstaunen, als er für möglich gehalten hätte.
    Eine Woge der Großherzigkeit überwältigt Katharina.
    Â»Ich habe sehr viel Lobendes über den Königspalast gehört«, sagt sie und öffnet ihren mit schwarzen Federn besetzten Fächer aus Schwanenhaut. »Er befindet sich unmittelbar außerhalb von Stockholm, nicht wahr? Dort, wo die Luft gut ist?«
    Der Regent, nicht angetan von dem Themenwechsel, aber auch nicht in der Lage, beharrlich zu bleiben, bestätigt ihr das Gehörte. Die Luft sei hervorragend. Das Gelände weitläufig. Der schwedische Königspalast sei sehr komfortabel und gut durchdacht. Die Bibliothek sei besonders hübsch. Mit Bildern, die von den Wandgemälden in Herculaneum kopiert worden seien. Ein gotischer Altar diene als Ofen. Und im Garten gebe es einen chinesischen Tempel. Direkt neben einem griechischen Tempel. Niemand könne Schweden vorwerfen, es wüsste nicht, dass Chinoiserien de rigueur sind.
    Â»Und wie viel Räume hat er?«, fragt sie. »Ich finde genaue Zahlen immer wichtig. Meinen Sie nicht auch?«
    Â 
    Weit vor Mitternacht zieht die Kaiserin sich in ihre inneren Gemächer zurück. Die jungen Leute sollten jetzt unter sich bleiben. Ihre eigene Anwesenheit kann leicht hinderlich wirken, und sie möchte ihnen nicht die Freude verderben. Sie erinnert sich nur zu gut noch an die Tage ihrer eigenen Jugend, an Mamans scharfe Ermahnungen.
    Le Noiraud ist der Einzige, der sie begleitet, die Lippen zu einer

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