Die Zarin der Nacht
Korb mit frischen Ãpfeln. Eine herbstliche Gabe.
Eine Falte ziert seine hohe Stirn. Die Schönheit seines Gesichts geht ihr ans Herz. Er ist noch so jung. Man mag ihn noch gar nicht vor den Launen des Schicksals warnen.
Die Ãpfel, die er mitgebracht hat, sind rot und glänzend.
Sie wird ihm nicht sagen, dass sie Kirschen immer noch lieber mag, wird ihn nicht daran erinnern, dass Grischenka ihr stets eine Schale schickte. Nicht im Sommer, wenn es sie reichlich gab, sondern am Neujahrstag, wenn er sie unter groÃen Kosten aus irgendeinem südlichen Obstgarten in einer geheizten Kutsche in die Hauptstadt transportieren lieÃ.
»Lass mich machen, Katinka«, sagt Le Noiraud. Er wählt einen Apfel aus. Und dann schält er die Frucht langsam und ohne abzusetzen mit einem kleinen Taschenmesser, bis die Schale
auf den Teppich fällt. Ein rotes gekringeltes Band, dessen Beseitigung er den Dienstboten überlässt.
Sie sollte ihn tadeln. Ihm sagen, dass man sich die Loyalität der Dienstboten so nicht erwirbt, auch wenn er ihre Einwände nicht begreifen wird. Er macht jedes Mal ein finsteres Gesicht, wenn sie sich von solchen Skrupeln leiten lässt. Wenn sie morgens selbst Feuer macht oder sich nach den Kindern des Heizers erkundigt. Wenn sie sich die Namen von ihren Zofen, deren Eltern und Geschwistern merkt. »So schwierig ist das nun wirklich nicht«, hat sie ihm einmal erklärt. »Und es wirkt mehr als das kostspieligste Geschenk.«
Le Noiraud findet solche Gesten charmant, geradezu himmlisch nett von ihr. Aber er glaubt nicht an ihre Wirkung.
Nun teilt er den geschälten Apfel in zwei Hälften, entfernt das Gehäuse und reicht ihr eine Hälfte. Er macht einen müden Witz darüber, dass eigentlich sie es sein sollte, die ihn mit einem Apfel verführt, aber sie lächelt trotzdem. Es gefällt ihr, dass er so lebhaft ist.
»Ein Mann in London«, erzählt er ihr, »hat eine Maschine erfunden, nicht gröÃer als eine Zahnstocherschachtel, die ein ganzes Gebäude zerstören kann.«
»Und wie?«, fragt sie.
»Indem sie es in einen Haufen Asche verwandelt«, sagt er.
»Du sprichst in Rätseln, Platon«, sagt sie. »Wer behauptet das?«
»Seinen Namen kenne ich nicht«, gesteht er, »aber er ist ein berühmter Erfinder. Ich kann es herausfinden, wenn du es wünschst.«
»So wichtig ist es nicht.«
Le Noiraud wirft ihr einen gequälten Blick zu und wendet den Kopf dann ab. Es ist eine einstudierte Geste, auf die sie reagieren soll.
»Was ist los?«, fragt sie. »Was habe ich gesagt, das dich verletzt hat?«
»Nichts.«
Sie wird es aus ihm herauslocken müssen; das ist die Strafe für das, was sie ihm offenbar angetan hat. Er wird mehrmals ablehnen, sie um Verzeihung bitten, weil er zu direkt gewesen sei. Allein der Gedanke an dieses Ritual macht sie schon wütend. Wieso können die Leute nicht sagen, was sie meinen? »Ich muss wissen, was dich bekümmert. Wie sonst soll ich wissen, was du wirklich denkst?«
Le Noiraud gesteht, es handele sich um die Entlassung des Admirals. Wieso hat sie ihn fortgeschickt? Sie hat doch selbst gesagt, die Meerwasserbäder hätten ihr gutgetan. Wieso hat sie damit aufgehört? Ist es deshalb, weil die Idee von seiner Schwester stammt?
»Wer hat dir das erzählt?«
»Mein Kammerdiener hat Gerüchte gehört.«
»Dein Kammerdiener hat sich um den Zustand deiner Garderobe zu kümmern«, erwidert sie.
Sie spürt, wie Zorn in ihr aufwallt, eine Woge, die ihren Herzschlag beschleunigt, aber genau in dem Augenblick fällt Le Noiraud auf die Knie. So wichtig ist der Admiral nicht. Wenn er gewusst hätte, dass seine alberne Kur nicht helfen würde, hätte er ihn eigenhändig aus dem Palast geworfen. »Mit dem Gesicht in den Rinnstein«, sprudelt er hervor.
»Gib mir die Möglichkeit, mich nützlich zu machen, Katinka«, fleht Le Noiraud. »Schick mich irgendwohin, wo ich etwas Bedeutendes leisten kann. Du behauptest doch, ich hätte Talent. Fähigkeiten. Aber was habe ich für Aufgaben? Nur solche, die jeder vollbringen könnte. Ich werde demnächst neunundzwanzig. Ich möchte beweisen, wie viel ich für dich leisten kann. Die Tage ziehen sich endlos dahin, wenn ich sehe, wie das, womit ich mich zur Zeit beschäftigte, nur aus banalen Vergnügungen besteht.«
»So banal nun
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