Die Zarin der Nacht
auch wieder nicht«, protestiert sie.
»Du weiÃt, was ich meine. Ich verstehe, mich in kleinen An
gelegenheiten nützlich zu machen. Aber ich will mehr.« Ihr entgeht nicht das Selbstmitleid in seiner Stimme.
»Nun gut«, sagt sie. »Bereite den Verlobungsvertrag vor. Führ die Verhandlungen über den endgültigen Wortlaut der Klauseln. Morkow wird dir helfen.«
»Ist das alles?«, fragt Le Noiraud missmutig. »Ist das Besborodkos Idee? Glaubt er, dafür sei ich gerade gut genug?«
»Nein«, sagt sie, immer noch geduldig. »Es ist meine Idee. Doch ich erwarte keine Entschuldigung. Ich möchte nicht, dass du schmollst. Dafür mag ich meine Ãpfel zu gern.«
Enttäuschung und Belustigung kämpfen in seinem Gesicht.
Sie nimmt ihm den Apfel aus der Hand. Sie möchte ihn nicht verletzen. Oder demütigen. Sie hätte Morkow nicht erwähnen sollen. Sie hätte ihn seine Ratgeber selbst aussuchen lassen sollen, doch dafür ist es nun zu spät.
»Ich stimme dir zu, dass es nicht gerade die schwierigste Aufgabe ist«, fährt sie fort und beobachtet, wie die Falte auf Platons Stirn sich vertieft. Sie räumt ein, dass die Konditionen im Prinzip schon feststehen. Aber es ist immer der endgültige Wortlaut, auf den es ankommt. Und deshalb hat sie ihn damit betraut.
Etwas in ihren Worten besänftigt ihn. Er erhebt sich nicht von den Knien, blickt aber hoch. Seine Augen leuchten auf; ein Gedanke scheint ihn zu beschäftigen, nach dem sie sich nicht erkundigen wird. Und dann birgt er sein Gesicht in ihrem SchoÃ. Sie kann seinen heiÃen Atem durch ihren Morgenmantel hindurch spüren. Sanft bewegt er den Kopf, nistet sich in ihr ein.
Sie lässt ihn dort, lässt ihn sich tiefer eingraben. Nichts in ihr regt sich als Reaktion. Es ist, als flösse ihr Blut nicht bis in die entfernten Winkel ihres Körpers.
»Ich enttäusche dich nur, Katinka«, flüstert Le Noiraud.
»Das stimmt nicht.«
Er hebt den Kopf. In seinen Augen ist Angst. Eine Angst, die sie wegküsst, bis er lächelt.
Erst später, sehr viel später, als alle Ãpfel gegessen sind und beide aus dem Palastfenster auf die Newa geschaut haben â zu den beleuchteten Schiffen, auf denen eine fröhliche Menge immer wieder in Gelächter ausbricht oder Zigeunerlieder schmettert â, erst dann erlaubt sie sich ein paar mahnende Hinweise:
» Fortiter in re, sei hart in der Sache, gib in keinem Punkt nach. Akzeptiere Einschränkungen bei den Bedingungen nur im äuÃersten Notfall. Und selbst dann gib nur zentimeterweise nach und wehr dich noch, indem du es tust.
Aber gleichzeitig vergiss nicht, das Vertrauen deines Verhandlungspartners zu gewinnen. Suaviter in modo. Freundlich im Ton. Gewinn sein Herz. Und wenn du es hast, dann appellier an sein Verständnis.
Verwechsle deinen Gegner nicht mit deinem Feind. Vergiss nicht, dass der Ton ebenso wichtig ist wie die Sache.«
Er hört zu.
Er nickt. Er streichelt ihre Hand, küsst jeden einzelnen Finger, wandert mit seinen Lippen über ihre Handfläche.
Er verspricht, jedes Wort, das sie gesagt hat, zu beherzigen.
Und dann erklärt er ihr, dass er, wenn die schwedischen Verhandlungen beendet sind, China für sie erobern will. »Ich schwöre dir, Katinka, du wirst echte Pagoden für deine Gärten bekommen. Bäume, die du in deinem ganzen Leben noch nicht gesehen hast. Blumen, die alle Besucher in Staunen versetzen werden. Vögel in unvorstellbaren Farben.«
Sie lacht. »Wie willst du das alles bewerkstelligen?«
Er wird mit einer Armee quer durch Russland marschieren. Er hat die Route über das Uralgebirge schon aufgezeichnet. Die Chinesen werden auf einen Angriff von Norden nicht gefasst sein. »Valerian stimmt mir zu«, sagt er, und erst, als er den Namen seines Bruders erwähnt, begreift sie, dass es sich hier nicht um Liebesgeturtel handelt. Ihr schöner Le Noiraud meint es todernst.
Er möchte wie Grischenka sein. Ein Vizekönig. Ein Eroberer.
»Wenn Valerian zustimmt«, sagt sie und versucht, jeden Anschein von Amüsiertheit zu meiden, »dann werde ich darüber nachdenken.«
In diesem Augenblick hat sie plötzlich das sehr unangenehme Gefühl, als legte sich ein eiserner Reifen um ihre Brust, sodass sie kaum atmen kann. Ein heller Blitz fährt durch ihren Körper, und sie muss die Augen schlieÃen. Ihre Lippen
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