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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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See, in dessen Schilf die Wasservögel brüten. Sie wird selbst das Boot rudern, wenn sie zum Angeln hinausfahren. Nichts schmeckt so köstlich wie Fische, die man mit eigener Hand gefangen hat.
    Graf Rasumowski ist ein aufmerksamer Gastgeber. Der hübsche rote Kahn mit den gepolsterten Sitzen schaukelt am Steg, die geliebte Kaiserin muss nur noch einsteigen. Die Angelruten liegen bereit, frische Würmer an den Haken. Er sitzt zu ihren Füßen im Heck, den Blecheimer für die Beute im Schoß, während Elisabeth das Boot zur Mitte des Sees rudert.
    Die Höflinge bleiben am Ufer zurück und warten. Keiner von ihnen möchte mit der Kaiserin die Angel auswerfen. Keiner will das Risiko eingehen, einen größeren Fisch zu fangen als sie.
    Als das Boot schließlich zurückkommt, drängen sich alle um Elisabeth und bewundern ihren Fang. Sie genießt es, zu sehen, wie ihre Hofdamen beim Anblick der zappelnden Fische zusammenzucken. Schon der Gedanke, sie zu berühren, jagt ihnen einen Schauer über den Rücken. »Mein Vater hätte euch alle ausgelacht«, sagt die Kaiserin und winkt einem bärtigen Diener, der ein Tablett bereithält, auf dem Messer verschiedener Größe fächerförmig angeordnet liegen.
    Â»Sind sie scharf?«, fragt sie.
    Der Diener nickt. Sie krempelt die Ärmel ihrer Bluse hoch, nimmt das längste der Messer, das einen Hirschhorngriff hat, zur Hand und fährt mit dem Zeigefinger prüfend über die Klinge.
    Die kleinen Fische sind für die utscha, die Fischsuppe, und bleiben unzerteilt. Nur die großen, die in Öl gebraten werden sollen, werden filetiert.
    Die Hofdamen sehen mit ehrfürchtigem Grausen zu, wie die Kaiserin die Fische mit einer Keule betäubt, den Kopf abschneidet, den Bauch aufschlitzt und die Eingeweide herausnimmt. Sie sticht am Rücken ein. »Am Rückgrat entlang zum Schwanz«, sagt sie. »So hat Papa es mir beigebracht.«
    Die Großfürstin Jekaterina Alexejewna stimmt ein in den Chor staunender Bewunderung. Sie mag Fisch nicht besonders gern, gekochtes Rindfleisch und Sauerkraut sind ihr lieber, aber das braucht niemand zu wissen. Als einer der betäubten Fische plötzlich wieder wild zappelnd zum Leben erwacht, schreit sie wie alle anderen auf. Einen Moment lang sieht es so aus, als könnte die Kaiserin ihn festhalten, aber er glitscht ihr durch die Finger, springt hoch und platscht zurück in den See.
    Peter fuchtelt mit seinen langen Armen und gibt eine sonderbar treffende Pantomime des zappelnden Fischs zum Besten. Niemand lacht, aber er scheint es nicht zu bemerken.
    Â»Was findest du daran so komisch, Peter?«, fragt die Kaiserin.
    Peter muss kichern.
    Â»Bitte, Peter.« Katharina zupft ihren Mann sanft am Ärmel, doch das ist ein Fehler – Peter gerät nun vollends außer Rand und Band. Wie kommt das? Sie hat Ähnliches schon öfter erlebt und versteht es einfach nicht. Er ist wie eine Motte, die immer wieder ins Licht fliegt, auch wenn sie sich noch so oft die Flügel versengt.
    Elisabeth entscheidet sich dafür, ihren Neffen zu ignorieren. »Es gibt nichts Besseres als Landluft im Frühling«, sagt sie zu Katharina und wischt sich die Hände an einem Tuch ab, das ein Mädchen ihr hinhält. »Tief einatmen, das tut gut.«
    Katharina gehorcht. Die Luft ist angenehm kühl und riecht leicht nach Rauch von einem Holzfeuer, aber das Atmen hilft nicht gegen das Unbehagen, das sie empfindet. Der Frühling verstärkt noch das Gefühl ungeduldiger Erwartung in der Kaiserin. Es ist die Zeit der Fortpflanzung, der neugeborenen Fohlen, der gelben Küken, der kleinen Entchen, die hinter ihrer Mutter her durch den Schlamm watscheln.
    Â»Lassen Sie die Großfürstin es halten«, sagt Graf Rasumowski und gibt ihr ein Entenküken. Als Katharina es in ihre Hände nimmt, beißt es sie in den Daumen, aber so sanft, dass sie es kaum spürt. Das Entchen ist flauschig und warm und ständig in wuselnder Bewegung; es ist, als hielte man das schiere Leben in den Händen.
    Sie beugt sich hinab und lässt das Küken entschlüpfen. Es watschelt seiner Mutter hinterdrein.
    Das Haus, in dem der Großfürst und die Seinen untergebracht sind, ist neu aus Holz gebaut und steht auf einem Hügel. Das Schlafzimmer liegt im zweiten Stock. Daneben gibt es ein Ankleidezimmer und ein Zimmer für die Erste Kammerfrau. Im ersten

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