Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
Vom Netzwerk:
sinkt in einen Sessel nieder. Ein Bild erscheint vor ihrem inneren Auge: Sergej liegt neben ihr, von seinen Lippen hängt ein dünner Spuckefaden.
    Sie zittert.
    Aber sie hört bereits eine Stimme in sich. Leise, aber deutlich.
    Verrat ist wie Gift. Mengen, die zu klein sind, um einen Menschen zu töten, stärken seine Abwehrkräfte.
    *
    Für den Ball am 10. Februar, veranstaltet zur Feier von Peters Geburtstag, lässt sie sich ein Kleid aus blauem Samt schneidern, bestickt mit goldenem Eichenlaub. Gerüschte Spitze an den Ärmeln. Lange Handschuhe aus Samt mit Marderpelz. Um die Taille trägt sie eine rote Schärpe. Nach all den Wochen, die sie zurückgezogen in ihren Gemächern verbracht hat, ist ihre Haut durchscheinend blass. Jetzt, da sie ein Kind geboren hat, sind ihre Brüste üppiger geworden, ihre Hüften runder.
    Beim Ball tritt sie vor ihren Ehemann hin und gratuliert ihm mit einem gewinnendem Lächeln. Als das Fräulein verärgert das Gesicht verzieht, wendet sie sich ihr zu. »Mademoiselle«, sagt sie, »Ihre Bosheit entstellt Sie. Wenn Sie nicht lernen, sie im Zaum zu halten, wird Ihre Schönheit auf Dauer Schaden nehmen.«
    Mit so etwas hat das Fräulein nicht gerechnet. Sie denkt fieberhaft nach. Wieso fühlt Katharina sich plötzlich so stark? Was macht sie so kühn? Wer steht hinter ihr?
    Katharina kann ihre Gedanken geradezu sehen, ein Gewim
mel von Würmern, die sich in frisch umgegrabener Erde aufgeregt winden.
    Das Fräulein weiß nichts zu erwidern. Ihr Hochgefühl ist verschwunden, sie wirft ihrem Liebhaber einen flehenden Blick zu. Aber Peter ist schwach und unsicher wie immer. Und er ist feige, und Feiglinge verbeugen sich höflich vor der Macht und verstecken sich dann hinter jemandem, der ihnen Schutz verspricht. Von ihm ist keine Hilfe zu erwarten.
    Das Fräulein ist Katharina nicht gewachsen.
    Der Abend ist lang, und die Großfürstin hat noch viel vor.
    Â 
    W tschuschom glasu sorinku sametno, a w swojom – brewna ne widat. Du siehst den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken in deinem eigenen Auge.
    Â 
    Ihre Worte machen die Runde in dem prächtigen Ballsaal, das ist nicht zu übersehen. Fächer wedeln aufgeregt, Höflinge eilen von einer Gruppe zur nächsten und berichten, was sie gesagt hat.
    Â 
    Â»Du bist unerträglich stolz«, sagt Peter zu ihr. »Alle beklagen sich über dich.«
    Â» Wer beklagt sich über mich, Peter?«
    Er lacht höhnisch. »Jemand hat mir prophezeit, dass du das fragen würdest. Aber ich weiß, wie ich dich zur Vernunft bringen werde.«
    Â»Dann lass mich etwas anderes fragen, Peter: Worin genau besteht mein Stolz?«
    Seine stumpfe Nase kräuselt sich leicht, als wollte er die Witterung dieses Stolzes aufnehmen.
    Â»Du hältst dich zu aufrecht«, sagt er endlich. Es klingt unsicher: Mit dieser Frage hat er nicht gerechnet, oder er hat die Antwort vergessen, die die Schuwalows ihm eingepaukt haben.
    Â»Soll ich mich ducken wie eine Sklavin?«, fragt sie hörbar gereizt.
    Â»Ich weiß, wie ich dich zur Vernunft bringen werde«, wiederholt er. »Du bist hochmütig. Ich werde dir eine Lektion erteilen.«
    Â»Und wie wirst du das anstellen?«, fragt sie.
    Ihrer ruhigen Gelassenheit ist er nicht gewachsen. Sie hat ihn in die Enge getrieben, aber sie sollte nicht vergessen, dass sogar ein Feigling gefährlich ist, wenn er in die Enge getrieben wird. Doch solche Überlegungen hat sie hinter sich gelassen. Aus dem Augenwinkel kann sie sehen, wie die Gräfin Schuwalow ihrem Schwager spöttische Blicke zuwirft.
    Peters Hand fährt reflexartig an den Griff seines Degens.
    Â»Was hast du vor?«, fragt sie mit eisiger Stimme. »Willst du mich zum Duell fordern, Peter? Dann sollte ich aber auch eine Waffe bekommen, findest du nicht?«
    Er lässt den Degengriff los. »Du bist immer so gehässig«, sagt er.
    Â»Ja?«
    Â»Du ziehst über meine Freunde her. Du demütigst sie.«
    Â»Deine Freunde, Peter? Wer sind diese Freunde, die ich so schlecht behandle?«
    Â»Die Gräfin Schuwalowa sagt, du …«, murmelt er.
    Sie lässt ihn nicht ausreden. »Die Schuwalows nennen sich deine Freunde. Was sind das für Freunde, die deine Frau in der Öffentlichkeit verächtlich machen, die böse Gerüchte über sie verbreiten? Die dir eingeredet haben, du müsstest

Weitere Kostenlose Bücher