Die Zarin der Nacht
wie sehr sie ihn vermisst hat.
Er wischt eine Träne, die über ihre Wange rollt, mit dem Finger weg. »Ich wollte dir nie wehtun«, sagt er.
Seine Stimme klingt weich. Seine Worte sind köstlich, die
pure Lust. Der Hof, sagt er, ist ein gefährliches Pflaster, überall Eifersucht und Intrigen. Man hat ihn wissen lassen, die Kaiserin wünsche, dass er sich von der GroÃfürstin fernhalte, und er musste gehorchen. Er hatte gedacht, Katharina würde das verstehen. Hatte er sich getäuscht? Seine Lippen streichen über ihre nackte Schulter.
»Doch, das verstehe ich«, murmelt sie, überwältigt vor Glück und Erleichterung. Sie kann wieder frei atmen. Sergej ist wieder da. Er liebt sie. Sie hat es immer gewusst.
Sie nestelt an seiner Hose, schiebt ihre Hand hinein.
Jetzt hält er sie auf. Seine Worte sind wie Peitschenhiebe. »Andere Frauen können es sich leisten, blind zu sein, Katharina. Aber du nicht.«
Sie versteht immer noch nicht. »Was meinst du?«, fragt sie.
»Du hast gerade schon wieder eine Lüge geglaubt.«
»Was für eine Lüge?«
»Alles, was ich gesagt habe, war gelogen. Und du weiÃt das.«
Sie hält sich die Ohren zu, aber er zieht ihre Hände weg. Er flüstert, doch dieses Flüstern dringt ihr bis ins Mark.
»Ich bin ein Lügner, Katharina. Sobald ich eine Frau gehabt habe, ist sie mir gleichgültig. Ich wünschte, es wäre anders, aber so bin ich nun einmal. Ich liebe nur, was ich nicht kriegen kann.«
»Nein, niemand hat mich gezwungen, dir das zu sagen. Du hättest es längst wissen können. Du wolltest es einfach nicht sehen. Und jetzt musst du es glauben.«
Sie schüttelt den Kopf, aber er hört nicht auf.
»Du möchtest, dass ich dir was vorspiele, Katharina, aber das tu ich nicht. Betrachte es einfach, wie es ist: Dein Leiden verdirbt mir den SpaÃ, es ist mir unangenehm. Es gefällt mir nicht, wenn ich denken muss, ich bin grausam oder rücksichtslos. Darum muss ich deinen albernen Traum zerstören.
WeiÃt du, ich bin keine einzigartige Ausnahme. Es gibt eben Männer, die allein die Jagd reizt, nicht die Beute.«
Später wird ihr das alles wie ein schrecklicher Albtraum vorkommen, aber jetzt steht jedes Wort, jeder Satz allein da.
»Ich werde gehen und dich nie wieder belästigen. Man hat mir den Posten eines Gesandten in Hamburg angeboten â du brauchst mich also nicht einmal mehr zu sehen. Die Schuwalows sagen â¦Â«
»Was kümmert es mich, was die Schuwalows sagen?«, stöÃt sie hervor. Ihre Stimme klingt schrill.
»Oh, es sollte dich schon kümmern, denn sie tun alles, um die Kaiserin gegen dich aufzuhetzen. Du bist eine Intrigantin, wie deine Mutter, sagen sie. Du willst mit allen Mitteln an die Macht. Du bist vollkommen skrupellos. Und zu deinem Mann sagen sie, du bist unverschämt und hochmütig, er ist viel zu gut für dich. Er soll sich eine Geliebte zulegen, die sich bemüht, ihm zu gefallen, und nicht, ihn zu beherrschen. Willst du das? Dass das Fräulein oder irgendein anderes intrigantes Scheusal dich verdrängt? Dass du jeden Einfluss am Hof verlierst?«
Ihre Lippen bewegen sich, aber sie bringt keinen Ton hervor.
»Ich habe ein Geschenk für dich«, fährt Sergej fort. »Etwas Besseres als dieses elende TrockensträuÃchen, das ich einem StraÃenhändler abgekauft habe. Nur ein paar Worte: In deinem Herzen ist weit mehr Raum, als du denkst.«
Sie kann nicht aufhören zu schluchzen. Sie ist vollkommen hilflos. Ihre Schultern zucken, ihre Kehle ist wie zugeschnürt.
»Reià dich zusammen, Katharina. Zieh dich an, lass dich frisieren, leg Rouge auf. Geh in den Ballsaal und zeig allen, wer du wirklich bist.
Du bist kein Rebhuhn, Katharina, du bist ein Falke.«
Â
Drei Jahre, denkt sie, als die Tür sich hinter ihm schlieÃt. Ich habe diesem Lumpen drei Jahre meines Lebens geschenkt.
Zorn packt sie. Ein tiefer, wilder Zorn. Auf Sergej, auf sich selbst. Der Zorn mischt sich mit Selbstmitleid und verwandelt sich in Gram, um wieder zu Zorn zu werden. Sie marschiert im
Zimmer auf und ab, ihre Absätze knallen wie Musketenschüsse. Der Aufruhr, der in ihr tobt, will kein Ende nehmen.
Sie schlägt sich mit den Fäusten auf die Wangen. Ihr Fuà stöÃt an etwas. Es ist ein Kiefernzapfen. Sie wirft ihn ins Feuer und sieht zu, wie er verbrennt.
Sie
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