Die Zauberer 01 - Die Zauberer
Vielleicht war es dem Tier gelungen, dem Sturm zu entfliehen, vielleicht war es auch in eine der Spalten gestürzt. »Großartig«, kommentierte Aldur mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Den Sturm haben wir überstanden, aber was nun? In diesem Nebel werden wir den Weg zurück nicht finden.«
»Zurück?« Granock bedachte ihn mit einem geringschätzigen Blick. »Wovon sprichst du?«
»Wovon ich spreche, Mensch?« Der Elf schnitt eine Grimasse. »Ich dachte, das wäre angesichts unserer Lage sogar für dich offensichtlich. Ich spreche davon, zurück zur Ordensburg zu gehen, wo wir in Sicherheit sind.« »Die Ordensburg ist nicht unser Ziel«, wehrte Granock ab. »Unser Auftrag lautet, zur Eisnadel zu gelangen.«
»Hast du den Verstand verloren?«, blaffte Aldur. »Unser Reittier ist weg, und wir haben die Orientierung verloren. Wie sollen wir diese verdammte Nadel jemals finden?«
»Wir müssen uns eben etwas einfallen lassen.«
»Und werden dabei elend erfrieren!« Aldur schüttelte den Kopf. »Das ist typisch für euch Menschen. Ihr wisst nicht, wann es Zeit ist aufzuhören. Das ist schon immer so gewesen, und deshalb werdet ihr es auch nie zu etwas bringen.«
»Und euch«, konterte Granock, »ist der Biss abhanden gekommen, der unbedingte Wille. Ihr seid zu satt geworden, voll gefressen, deshalb wird eure Rasse früher oder später untergehen, ob ihr es wahrhaben wollt oder nicht.« »Nichtswürdiger!«, zischte Aldur und trat drohend auf ihn zu. »Was fällt dir ein?«
»Ich dachte, du willst die Prüfung unbedingt bestehen«, sagte Granock. »Wenn wir unverrichteter Dinge zurückkehren, haben wir alle vier versagt, und sehr wahrscheinlich werden wir keine zweite Möglichkeit bekommen, die Prüfung zu bestehen, wenn wir diese hier nicht nutzen.«
»Du ganz sicher nicht, Mensch«, war Aldur überzeugt. »Uns hingegen wird der Hohe Rat bestimmt ein zweites Mal zum prayf zulassen.«
»Wie schön für dich«, knurrte Granock. »Dann viel Glück beim nächsten Mal ich jedenfalls gebe hier und jetzt nicht auf!«
»Ich ebenfalls nicht«, stellte sich Alannah auf seine Seite.
»Was?« Aus Aldurs Blick sprach pures Unverständnis. »Aber ... wa-warum? Warum gehst du ein solches Risiko ein? Dazu besteht kein Anlass ...« »Weil wir nur zusammen bestehen können«, sagte die Elfin. »Granock hat uns geholfen, nun ist es an uns, ihm zu helfen.«
»Unsinn. Was er getan hat, tat er, um zu überleben.«
»Dennoch haben wir Nutzen daraus gezogen«, beharrte Alannah. »Ist dir noch nicht der Gedanke gekommen, die Ältesten könnten sich etwas dabei gedacht haben, als sie uns in einer Gruppe zusammenbrachten?«
»Offen gestanden - nein.«
»Aber mir«, sagte die Elfin. »Ich bin mir fast sicher, dass sie einen bestimmten Zweck damit verfolgen. Unser Ziel ist die Eisnadel, daran hat sich nach wie vor nichts geändert.«
»Das ist verrückt!«, regte sich Aldur auf, hilflos in den sie umgebenden Nebel starrend. »Einfach verrückt!«
»Hat deine Meisterin dir denn gar nichts beigebracht?«, fragte Granock. Aldur fuhr herum. »Ich rate dir, Mensch«, sagte er gefährlich leise, »spotte nicht über meine Meisterin!«
»Meister Farawyn«, fuhr Granock unbeirrt fort, »hat mich gelehrt, dass nur unsere eigene Vorstellungskraft: die Grenze unseres Handelns ist - und dass allein im Herzen entschieden wird, ob aus einem durchschnittlichen Wesen ein Zauberer wird oder nicht.«
»Schöne Worte«, höhnte Aldur. »Aber sie ändern nichts daran, dass wir nicht wissen, wo sich die Eisnadel befindet.«
»Mein Gefühl sagt mir, dass wir in diese Richtung gehen müssen«, sagte Alannah und wies mit ausgestrecktem Arm in den Nebel.
»Ach ja? Und wenn du dich irrst? Wir sind noch nahe genug an der Ordensburg, um vielleicht zurückzufinden. Wenn wir uns aber noch weiter von Shakara entfernen, sind wir verloren.«
»Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass wir die Orientierung nicht verlieren«, sagte Granock.
»Was du nicht sagst, Mensch. Und wie, bitte sehr, soll das funktionieren?« »Indem wir einen Bezugspunkt schaffen. Eine Markierung, zu der wir im Zweifelsfall wieder zurückkehren können.«
»Eine Markierung im Nebel.« Aldur stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Und wie, Mensch, willst du das bewerkstelligen?«
Bevor Granock antworten konnte, trat Caia vor, die unscheinbare Novizin, die sich an dem Wortwechsel nicht beteiligt hatte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich, und schon im nächsten Moment
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