Die Zauberer 01 - Die Zauberer
bringt es - verdammt noch mal auch zu Ende.«
»Aber was ... was tust du?«
»Ich trage dich«, erklärte er überflüssigerweise, während er wieder in denselben raschen Schritt verfiel, den er zuvor schon an den Tag gelegt hatte. »Warum tust du das?«, fragte sie ebenso erschöpft wie hilflos und drückte ihre Wange gegen seine linke Brust, wo sie sein Menschenherz kraftvoll schlagen hörte.
»Keine Ahnung«, gab er zu. »Ich weiß nur, dass ich mir immer Freunde gewünscht habe - und nun, da ich endlich welche habe, lasse ich sie ganz sicher nicht im Schnee zurück ...«
»Aldur! Vorsicht!«, gellte Alannahs Warnruf.
Die Sonne schien sich zu verfinstern, als sich die geöffnete Pranke des Eisriesen abermals herabsenkte, um nach Aldur zu greifen.
Der Elf tat, was er schon zuvor getan hatte: Er ließ dem Riesen einen kurzen fauchenden Feuerstoß entgegensengen, und der Gigant zog seine Pranke zurück. Mehr allerdings vermochten die Flammen nicht auszurichten. Und Aldur merkte, dass sich seine Kräfte allmählich erschöpften.
Er fuhr herum und rannte zu Alannah, die kurz zuvor einen Hagel aus Eisspeeren auf den Riesen abgegeben hatte. Der jedoch hatte die Geschosse, die scheinbar aus den Händen der Elfin gejagt waren, mit den Fäusten zerschmettert. Erschöpft war Alannah daraufhin in den Schnee gesunken und schwer atmend liegen geblieben.
»Was ist das nur für eine Albtraumgestalt?«, fragte Aldur gehetzt. »Das ist Ymir, der Urriese aus den alten Sagen«, keuchte Alannah. »Wie es heißt, war er einst der Anführer der Riesen, die mit den Ersten um das Schicksal der Welt fochten, doch er wurde besiegt und in die Tiefen Erdwelts verbannt. Entsprechend groß ist sein Hass auf alles, was an der Oberfläche lebt, sagt man.«
»Ich verstehe«, knirschte Aldur.
»Aber ich dachte stets, dass die Geschichte nur eine Sage ist«, fuhr Alannah atemlos fort, »ein Mythos aus alter Zeit.«
»Achtung!«, schrie Aldur, als erneut eine der Pranken des Riesen niederfuhr. »Lauf um dein Leben!«
Sie sprangen nach links und rechts durch den Schnee, der bereits an vielen Stellen niedergetreten war - und im nächsten Augenblick schlug dort, wo sie sich eben noch befunden hatten, eine riesige Faust in den Boden, einem Meteor gleich. Offenbar hatte der Riese es aufgegeben, einen der Winzlinge fangen zu wollen. Ihre Attacken hatten ihm zwar nichts anhaben können, aber sie hatten ihn wütend gemacht, und deshalb wollte er die beiden töten. Die Erschütterung ließ das Eis erbeben, und schon einen Lidschlag später zeigten sich Risse, die von der Stelle ausgingen, wo der Riese die Faust in den Boden gerammt hatte, und sich nach allen Richtungen ausbreiteten. Um ein Haar wäre Alannah in eine der sich krachend öffnenden Spalten gestürzt, aber sie setzte reaktionsschnell darüber hinweg, rollte sich ab und war im nächsten Moment wieder auf den Beinen - um vor Schreck die Luft anzuhalten: Aldur stellte sich Ymir zum Kampf!
Abrupt war der Elf stehen geblieben und hatte sich umgewandt, um eine Feuerwand zu schaffen und sie dem Riesen entgegenzuschicken. Ymir schrie gequält auf, als die Flammen, die ihm gerade bis zu den Knien reichten, über seine nackten Füße zuckten. Der Schrei ließ die kalte Luft erbeben und war so durchdringend, dass die Zauberschüler sich die Ohren zuhalten mussten. Der Gigant brach in die Knie, die mit dem ganzen Gewicht seines ungeheuren Körpers tiefe Krater in den Boden schlugen. Die Erschütterung ließ die yngaia erbeben, erneut entstanden Risse, und Aldur konnte einen von ihnen nicht mehr ausweichen.
Als Ymir niedergesackt war, hatte der Elf zu laufen begonnen, um nicht von den Körpermassen des Riesen erschlagen zu werden, falls dieser fiel. Die Richtung war ihm dabei gleichgültig gewesen, er hatte nur rasch möglichst großen Abstand zwischen sich und den Giganten bringen wollen. Doch das Schicksal holte Aldur schon nach wenigen Augenblicken ein - in Form eines Spalts im Eis, der wie ein Blitz auf ihn zuschoss und ihn im nächsten Moment verschlang. Mit einem dumpfen Aufschrei verschwand der Elf in der sich öffnenden Kluft - und Alannah, die aus der Distanz zusah und nichts unternehmen konnte, war nun im Kampf gegen den Riesen auf sich allein gestellt.
Auf dem Boden kniend war der Riese zwar kleiner als zuvor, jedoch noch immer von ungeheurer Größe. Wie ein Gebirge ragten seine graublauen Körpermassen im Nebel auf, gekrönt von dem schrecklichen, von weißen Haaren umrahmten
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