Die Zauberer 01 - Die Zauberer
durchsuchten die Festung jeweils allein.
»Kein schöner Anblick, nicht?«, fragte Aldur, als sie die Eingangshalle des Turms passierten. In der Halle und auf der großen Treppe lagen weitere Leichen, und einige Krähen flatterten aufgeschreckt auf, als sie bei ihrem grausigen Festmahl gestört wurden.
»Ja«, bestätigte Granock düster, »wirklich nicht.«
Mehr wurde nicht gesprochen. Wortlos folgten die beiden Novizen den Stufen in die höher gelegenen Stockwerke des Turms, wo sie tatsächlich auch die Kommandantur vorfanden. Der Anblick, der sich ihnen bot, war jedoch immer der gleiche: verwesende, grauenvoll verstümmelte Leichen, wohin das Auge blickte. Bei einigen der Toten hatte Granock sogar den Eindruck, ihre Gliedmaßen wären ihnen nicht etwa durch einen Schwert- oder Axthieb abgetrennt, sondern mit purer Körperkraft abgerissen worden, und das, während sie noch gelebt hatten. Ein schrecklicher Kampf musste in der Festung getobt haben, wovon auch der blutverschmierte Boden zeugte. Unbeantwortet blieb jedoch die Frage, wie es dem grausamen Feind gelungen sein konnte, in die Zitadelle einzudringen.
In den Trümmern der Kommandantur ließ sich kein brauchbarer Hinweis finden, also kehrten Granock und Aldur wieder in den Hof zurück, wo die anderen bereits warteten. Auch sie schienen Schreckliches gesehen zu haben. Alannah war zu keiner vernünftigen Aussage fähig, über Riwanons sonst so anmutige Gesichtszüge schien sich ein grauer Schleier gebreitet zu haben, und in den Augen des gestrengen Cethegar sah Granock - er wollte es kaum glauben - Tränen der Trauer. Dabei war es nicht allein der schreckliche Anblick, der den Zauberern und ihren Novizen so zusetzte, sondern die unbeschreibliche Brutalität, mit der die Feinde vorgegangen waren. »Ich denke, eines lässt sich zumindest sagen«, stellte Farawyn fest. »Dass es tatsächlich keine Aruner waren, die diesen Überfall verübten, dass dies nicht das Werk einiger mit Pfeilen und Bogen und mit Speeren bewaffneter Wilder sein kann.«
»In der Tat«, stimmte Cethegar zu, der seine schon zuvor geäußerte These bestätigt sah. »Zum einen wäre es ihnen niemals gelungen, ohne Weiteres in die Festung einzudringen, und wir würden dann außerhalb der Mauern Hinweise auf eine Belagerung oder zumindest einen Kampf finden, was jedoch nicht der Fall ist. Zum anderen sind die Waffen der Gefallenen nicht geraubt worden, soweit ich gesehen habe.«
»Und?«, fragte Riwanon, die den Zusammenhang nicht verstand. »Ein Schwert aus Elfenstahl ist eine Beute, die sich niemand entgehen lässt, der im Dschungel tagtäglich ums Überleben kämpft. Wären es Aruner gewesen, hätten sie auch die Festung geplündert und alles mitgenommen, was sie hätten tragen können.«
Niemand widersprach. Cethegars Argumentation war schlüssig, auch wenn sie die Frage nicht beantwortete, die Alannah offen aussprach: »Aber wer könnte es dann gewesen sein? Habt Ihr eine Ahnung?«
Farawyn nickte. »Die habe ich, aber es wäre zu früh, etwas darüber zu sagen.« »Hast du etwas gesehen?«, wollte Cethegar wissen, und offenbar meinte er damit Farawyns besondere Fähigkeit.
»Nur verschwommene Bilder und Eindrücke, die ich nicht zuordnen kann. Aber während ich diese Burg durchstreifte, habe ich Dinge gespürt, die ich ...« Er unterbrach sich und blickte zu Boden, schien sich einen Augenblick zu besinnen. »Morgen früh kann ich mehr darüber sagen, denke ich. Aber dazu ist es notwendig, dass ich die Nacht über innerhalb dieser Mauern verweile allein.«
Granock glaubte, nicht recht zu hören. »Ihr wollt die Nacht hier verbringen? Und das ohne Beistand?«
»So ist es«, bestätigte Farawyn entschlossen und ohne die leiseste Unsicherheit in der Stimme. »Denn nur auf diese Weise werde ich Klarheit erlangen können über das, was hier geschehen ist.«
Granock schluckte. Obwohl ihm die Frage auf den Nägeln brannte, scheute er davor zurück, sie zu stellen: Wie wollte Farawyn herausfinden, was sich in Carryg-Fin zugetragen hatte? Nun, jedenfalls würde er nicht zulassen, dass sich sein Meister nachts ganz allein an einem so schrecklichen Ort aufhielt, und obwohl ihm der bloße Gedanke, ebenfalls innerhalb der Burgmauern auf das Morgengrauen zu warten, eine Gänsehaut bescherte, fasste er sich ein Herz und sagte: »Wenn Ihr bleibt, so werde ich auch bleiben, Meister.« »Du?« Farawyn schaute ihn fragend an. »Wozu?«
»Um Euch beizustehen«, erklärte Granock schlicht. Er hätte
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