Die Zauberer 01 - Die Zauberer
gern noch manches mehr gesagt: dass er dem Zauberer dankbar dafür war, weil er an ihn geglaubt und ihn aus dem Schmutz und Elend Andarils geholt und ihm tatsächlich eine größere und bedeutendere Welt gezeigt hatte - und dass Granock, was er zuvor nie für möglich gehalten hätte, Vertrauen zu ihm gefasst hatte und sich um ihn sorgte. Aber er war kein großer Redner, deswegen kam ihm kein Wort davon über die Lippen.
»Du willst mir beistehen«, sagte Farawyn, »obschon ich dir ansehen kann, wie dieser Ort dich ängstigt?«
»Ängste sind dazu da, besiegt zu werden, oder nicht?«, fragte Granock. Farawyn lächelte. »Selten hatte ein Zauberer einen treueren und mutigeren Novizen. Obwohl dich das Grauen in seinen Klauen hält, möchtest du deinem Meister beistehen.«
»Ich würde es nicht ganz so geschwollen ausdrücken«, sagte Granock lapidar, all seinen Instinkten zum Trotz, die ihn dazu drängten, die Leichenfestung so schnell wie möglich zu verlassen. »Also - erlaubt Ihr es?«
»Nein«, sagte Farawyn, und sein Schüler wusste nicht, ob er darüber enttäuscht oder erleichtert sein sollte. »Geh nur, Junge, es ist gut. Dieser Aufgabe muss ich mich allein stellen.«
Granock war verwirrt. »Seid Ihr sicher?«
»Völlig sicher. Und jetzt verlasst die Burg, allesamt. Wir sehen uns beim ersten Licht des Tages.«
»Beim ersten Licht des Tages«, bestätigte Cethegar, und damit schien alles gesagt zu sein.
An den Zügeln führten die Zauberer ihre Pferde nach draußen, die ob des allgegenwärtigen Todes unruhig die Köpfe hin und her geworfen und mit den Hufen gescharrt hatten. Inzwischen war das Rot des Himmels verblasst und die Nacht hereingebrochen. Der Mond stand als blasse Scheibe am dunkelgrauen Himmel und beleuchtete die schaurige Szenerie mit fahlem Schein.
Auf der Zugbrücke wandte sich Granock noch einmal um. Seinen Meister im Burghof stehen zu sehen, allein und von den grausam entstellten Leichen umringt, gefiel ihm ganz und gar nicht. Eine Hand griff ihn jedoch am Arm und zog ihn sanft, aber bestimmt weiter.
Alannah ...
»Komm«, sagte die Elfin. »Du kannst deinem Meister nicht helfen.« »Das ist mir klar«, murmelte Granock. »Es ist nur ...«
»Ich weiß.« Sie sah ihn durchdringend an. »Es ist dieser Ort, nicht wahr? Das Grauen - man kann es beinahe stofflich fühlen.«
»Und nicht nur das«, stimmte Granock zu. »Ich habe auch den Eindruck, dass ... dass ...«
»Was meinst du?«, fragte Alannah leise. »Du kannst es mir ruhig sagen.« »Dass es noch nicht vorbei ist«, antwortete Granock düster.
Farawyn sah seine Gefährten das Tor passieren und in die Dunkelheit entschwinden. Selbst sein Pferd hatte er ihnen mitgegeben, also war er nun völlig auf sich gestellt, das einzige lebende Wesen in einer Festung, in der noch bis vor Kurzem eine ganze Garnison ihren Dienst versehen hatte, Hunderte von Soldaten, deren Knochen jetzt bleich im Mondlicht schimmerten. Zu gern hätte er Aldur angewiesen, von seiner Fähigkeit Gebrauch zu machen und die sterblichen Überreste der Kämpfer zu verbrennen, damit ihnen ein letzter Rest Würde blieb, aber das war nicht möglich. Der Feuerschein wäre weithin zu sehen gewesen, und wenn dort draußen eine Macht lauerte, die dem Elfenreich feindlich gesonnen war, wäre sie gewarnt gewesen. Alles musste bleiben, wie es war. Es war nicht die Aufgabe der Zauberer, die Toten zu betrauern. Ihre Mission bestand darin herauszufinden, was geschehen war, und nichts anderes hatte Farawyn vor - auch wenn er sich vor dem Grauen, das er zu sehen kriegen würde, fürchtete ...
Allein inmitten des Burghofs stehend, der zum Schauplatz eines grauenhaften Massakers geworden war, wartete der Seher ab. Der Mond verschwand hinter dichten Wolken, sodass sich absolute Finsternis über die Festung senkte, während es fern im Osten zu grollen begann.
Für Farawyn spielte es keine Rolle, ob es hell war oder dunkel; er schloss die Augen und versuchte, alles aus seinem Bewusstsein zu verbannen, was ihn ablenken konnte: das Entsetzen, die Trauer, den ohnmächtigen Zorn, selbst den beißenden Gestank der verwesenden Leichen. Und indem sich der Zauberer an seinen Stab klammerte und ihn dazu benutzte, eine schützende Aura hervorzurufen, die ihn umgab und sein Bewusstsein von äußeren Einflüssen trennte, gelang es ihm, seinen Geist zu fokussieren.
Langsam sank er nieder, nahm auf dem sandigen Boden Platz, der durchtränkt war vom inzwischen geronnenen Blut der Erschlagenen. Seine
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