Die Zauberer 01 - Die Zauberer
abgebrochen und das wenige Gepäck, das sie mitführten, in die Satteltaschen gepackt. Alle waren gespannt, was Farawyn zu berichten hatte. Dem waren die Strapazen der vergangenen Nacht deutlich anzusehen. Und noch etwas glaubte Granock in der Miene des Meisters zu entdecken, das er zuvor noch nie darin erblickt hatte: leise Panik. »Nun?«, erkundigte sich Cethegar, nachdem sich Farawyn gesetzt und einen Augenblick innegehalten hatte, um sich mit Wasser und etwas Proviant zu stärken. »Hattest du eine Vision? Konntest du mit den Geistern der Gefallenen sprechen?«
»Ihr habt mit den Geistern der gefallenen Soldaten gesprochen, Meister?«, fragte Granock verdutzt.
Farawyn lächelte matt, dann antwortete er rätselhaft: »Nun, vielleicht sah ich auch nur ein Echo von dem, was sich an jenem Ort zutrug.«
»Und was genau ist das gewesen, Bruder?«, fragte Riwanon und ließ sich bei ihm nieder.
Farawyn massierte sich die Schläfen. Es schien ihm schwerzufallen, sich zu erinnern - nicht deshalb, weil er es vergessen hatte, sondern weil sich sein Bewusstsein weigerte, die Bilder noch einmal heraufzubeschwören. »Eines weiß ich jetzt mit Bestimmtheit«, sagte er leise. »Es waren keine Menschen, die die Festung überfallen haben, ebenso wenig wie es Elfen waren.« »Nein?«, fragte Cethegar und trat näher an ihn heran, während die Novizen respektvoll Abstand hielten. »Was ist es dann gewesen? Sag es mir.« »Es waren grauenvolle Kreaturen«, flüsterte Farawyn leise. »Sie kamen aus dem Süden, und sie stammten weder aus dieser noch aus der anderen Welt.« »Was willst du damit sagen?«
Farawyn blickte den anderen Zauberer betrübt an. »Ich bin mir nicht sicher, was für Wesen das waren. Aber ich stieß auch auf etwas anderes, das zutiefst beunruhigend ist...«
»Zutiefst beunruhigend?«, fragte Cethegar. »Wie nennst du dann das, was wir dort in der Festung vorgefunden haben?«
Er sprach Granock aus der Seele. Was, in aller Welt, mochte Farawyn noch entdeckt haben, das ihn derart verstörte?
Es schien Farawyn einige Überwindung zu kosten, offen auszusprechen, was er erlebt hatte, oder vielleicht fehlten ihm auch nur die passenden Worte dafür. »Ich habe das Grauen gesehen. Ich habe die Schreie der Sterbenden gehört und das Flehen derer, die am Leben bleiben wollten, aber keine Gnade fanden. Blut floss in Strömen und tränkte den Boden, und inmitten all dieses grausamen Mordens hatte ich den Eindruck, etwas ... etwas Vertrautes zu fühlen.« »Etwas Vertrautes?«, hakte Riwanon nach. »Was meinst du damit?« »Es war nur eine kurze Empfindung, nur ein Gefühl, das mich für einen Moment erfüllte, ehe es mich wieder verließ - aber ich erinnere mich, dieses Gefühl schon einmal verspürt zu haben. Zu Hause, in Shakara.« »In Shakara?« Cethegar schnappte nach Luft. »Einen Augenblick, Sohn! Weißt du auch, was du da sagst?«
Farawyn nickte.
Cethegar schwieg eine Weile. Die Augen in dem von grauen Zöpfen umrahmten Gesicht starrten leer und blicklos, während sein Verstand scheinbar erfolglos Tritt zu fassen suchte. Granock erging es nicht anders. Wenn sein Meister in Carryg-Fin etwas gefühlt hatte, das er in ähnlicher Weise bereits in der Ordensburg verspürt hatte, dann musste dies doch bedeuten, dass ...
»Wie sicher ist diese Empfindung?«, erkundigte sich Aldur forsch. Der junge Elf musste die gleichen Schlüsse gezogen haben wie Granock, schien allerdings nicht gewillt, sie als Tatsachen hinzunehmen.
»Sehr sicher«, antwortete Farawyn. »Aber da ich keine Beweise habe, bleibt euch nichts als mein Wort.«
»Und wie oft habt Ihr dieses Gefühl in Shakara schon gespürt?«, fragte Aldur. »Häufig«, antwortete Farawyn, was wiederum Anlass zu düsteren Spekulationen gab.
»Bei welchen Gelegenheiten?«, bohrte Aldur weiter.
Cethegar jedoch fuhr ihm scharf über den Mund. »Ein Zauberer muss sich vor keinem Novizen rechtfertigen, und es steht dir nicht zu, einen Meister zu verhören!«
»Das nicht«, gestand Aldur ein. »Aber wenn stimmt, was er uns gerade eröffnet hat, dann betrifft die Sache den gesamten Orden und geht uns alle etwas an.«
»Der Junge hat recht«, stimmte Farawyn zu und zog sich an seinem Zauberstab in die Höhe. Die kurze Pause schien ihm gutgetan zu haben, er wirkte ausgeruht und weniger angespannt als zuvor. Der gehetzte und leicht panische Ausdruck in seinen Augen allerdings war geblieben, wie Granock feststellte. »Ich weiß, was ich gespürt habe, und die Empfindung
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