Die Zauberer 01 - Die Zauberer
Augen und stellte sich vor, nicht im dampfenden Dschungel zu stehen, sondern in der beruhigenden Kühle seiner Kammer in Shakara (was angesichts der Temperaturen und der schwirrenden Moskitos an sich schon eine Leistung war). Mit eiserner Disziplin gelang es ihm sogar, jeden Gedanken an Alannah aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, und er gewann seine innere Ruhe zurück. Wenn es ihm nun noch gelang, seinen Willen zu bündeln und auf den flasjyn zu übertragen ... Er konzentrierte sich erneut - und merkte im nächsten Moment, dass er bereit war, gespannt wie ein Bogen, dessen Sehne so weit zurückgezogen war, dass sie jeden Augenblick reißen würde. Pfeilschnell verließ Granocks Gedankenimpuls sein Bewusstsein und ließ den Stab in seinen Händen erbeben.
Granock war sich sicher, diesmal erfolgreich gewesen zu sein und die Aufgabe gemeistert zu haben. Erwartungsvoll öffnete er die Augen - um sich nach wie vor derselben grünen Wand gegenüberzusehen.
Einen Moment lang war er fassungslos, dann packte ihn der Zorn. »Zum Henker!«, wetterte er, wohlweislich in seiner eigenen Sprache. »Da soll doch gleich der ganze verdammte ...«
»Da stimmt etwas nicht«, sagte Farawyn hinter ihm.
»Was? W-wie ...?«, stammelte Granock, während sich Farawyn an ihm vorbeidrückte und ihm den Stab abnahm, um sich seinerseits an dem Dickicht zu versuchen.
»Zurück!«, wies er Granock an, der sich daraufhin zu Aldur und Alannah gesellte, während Riwanon und Cethegar vortraten, um dem anderen Zauberer im Falle eines Falles beistehen zu können. Die Zauberstäbe hielten sie einsatzbereit in ihren Händen.
»Was ist?«, wollte Cethegar wissen.
»Offenbar eine Barriere«, antwortete Farawyn. »Ein Schutzzauber ...« »... oder ein Fluch«, ergänzte Riwanon.
Als sich auch Farawyn vergeblich mit dem Dickicht abmühte, hob sie ebenfalls den Stab, und sie bündelten ihre Kräfte - und endlich begann das Dickicht zurückzuweichen. Allerdings nicht wie zuvor, als es den Anschein gehabt hatte, als würde sich ein unsichtbarer Oger durch den Dschungel wälzen, sondern sehr viel träger und langsamer, so als würde sich etwas der Macht der Zauberer entgegenstellen. An ihrer Körperhaltung konnte Granock erkennen, wie viel Kraft es die beiden kostete, gegen die Barriere vorzugehen, die jemand
- aus welchem Grund auch immer - an dieser Stelle errichtet hatte. »Schwer zu glauben, dass Wildmenschen so etwas getan haben«, sagte Alannah mit leiser Stimme.
»Da hast du allerdings recht«, erwiderte Aldur flüsternd. »Vielleicht haben wir ihre Fährte ja längst verloren.«
»Oder wir wurden mit irgendeiner Absicht hergelockt«, sagte Granock. Knarrend bogen sich die Äste, die von einem eigenen Willen erfüllt zu sein schienen, einige brachen mit dumpfem Knacken.
»Los!«, zischte Farawyn, nachdem er und Riwanon einen schmalen Korridor geschaffen hatten, und setzte sich in Bewegung. Die anderen, Meister und Novizen, folgten ihm, aber schon nach zwanzig Schritten endete der Pfad, denn auf der anderen Seite des schützenden Dickichts lag eine Lichtung, die erste, auf die sie gelangten, seit sie den Wald betreten hatten. Entsprechend empfindlich reagierten ihre Augen, obwohl das Sonnenlicht nur trübe durch die grauen Wolken sickerte. Da sich die Augen der Elfen offenbar rascher umgewöhnten als die von Granock, bekamen Aldur und Alannah vor ihm zu sehen, was sie auf der Lichtung erwartete, und ihren überraschten Lauten zufolge musste es ziemlich überwältigend sein.
Granock blinzelte, sein Blick klärte sich - und dann sah auch er das steinerne, moosüberwucherte Bauwerk in Form einer Pyramide.
Die Seitenwände des Monuments, das an die fünf Mannslängen hoch war, bestanden aus großen Steinquadern, und sie waren fast nahtlos aneinandergefügt, was von großer Baukunst zeugte. Die Spitze des Gebäudes krönte eine steinerne Säule, die allerdings abgebrochen war, und obwohl sie einst völlig glatt gewesen sein musste, hatten Sporen und Wurzeln daran Halt gefunden, sodass der Säulenstumpf wie ein uralter, knorriger Baum aussah; nur hier und dort lugte grauer Stein hervor, in den an einigen Stellen fremdartige Symbole gemeißelt waren. Auf der Vorderseite der Pyramide hatte es früher einen Eingang gegeben, der allerdings eingestürzt und von Trümmern verschüttet war. Die Überreste der abgebrochenen Spitze lagen auf der Lichtung verstreut und waren ebenso von Schlinggewächsen und Moos überwuchert wie das Gebäude selbst.
Der
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