Die Zauberer 01 - Die Zauberer
Menschenwürde ist«, bestätigte Farawyn mit mildem Lächeln.
Granock schüttelte entgeistert den Kopf. Es war das erste Mal, dass er den flasfyn des Meisters gebrauchen durfte, und dies zeugte von großem Vertrauen. Stolz nahm er den Stab entgegen und wog ihn in den Händen. Er fühlte sich anders an als die Übungszauberstäbe, mit denen die Novizen bislang gearbeitet hatten, leichter von Gewicht, aber schwerer von Bedeutung. Wie Granock schon herausgefunden hatte, glich kein flasfyn dem anderen. Sich einen Zauberstab zu suchen und ihn durch entsprechende Bearbeitung seinen Erfordernissen anzupassen, war die letzte Aufgabe eines Eingeweihten, ehe er zum vollwertigen Zauberer wurde - seine letzte Prüfung gewissermaßen, sein Meisterstück.
Farawyns flasfyn bestand aus Lindenholz, war an die sechs Fuß lang und von schlichter Schönheit; die Windungen und Verzierungen, die die Stäbe anderer Zauberer aufwiesen, entbehrte er, lediglich eine Reihe von Elfenrunen waren in Griffhöhe eingeschnitzt. Am oberen Ende teilte sich der Stab, und in die Gabel war ein kleiner, blau schimmernder Kristall eingesetzt.
»Komm schon«, drängte Farawyn. »Worauf wartest du?«
Granock nickte und trat vor, entschlossen, sich der Herausforderung zu stellen und seinem Meister zu zeigen, wozu er fähig war. Wie zuvor Farawyn trug er den Stab in beiden Händen senkrecht vor sich her, während er bedächtig einen Fuß vor den anderen setzte. Dabei konzentrierte er sich, bündelte alle geistige Kraft, die er aufzubringen vermochte, und übertrug sie in den Stab - doch das erhoffte Ergebnis blieb aus. Schon nach ein paar Schritten endeten seine Bemühungen, denn er musste vor einer undurchdringlichen Wand aus Ästen, Schlingpflanzen, Lianen und abgestorbenem Gestrüpp stehen bleiben. »Was zum ... ?«
»Dein Problem ist immer dasselbe«, kritisierte Farawyn und machte ein mürrisches Gesicht. »Du gehst von vornherein davon aus, dass du versagst, dabei könntest du noch so vieles mehr tun.«
»Aber so ist es diesmal nicht, Meister«, verteidigte sich Granock. »Ich habe an mich geglaubt. Dennoch konnte ich das Dickicht nicht durchdringen. Es war, als hätte sich mir etwas entgegengestellt, eine unsichtbare Grenze.« »Nur die Grenze deiner eigenen Vorstellungskraft«, war Farawyn überzeugt. »Versuch es noch einmal, und vergiss dabei alles um dich herum. Nur für deine Sinne macht es einen Unterschied, ob du dich im Dschungel Aruns befindest oder in der Übungshalle in Shakara - für dein Herz muss es ein und dasselbe sein, wenn du über dich hinauswachsen und die Wege der Magie erlernen willst.«
»Ein und dasselbe«, murmelte Granock, hob den Zauberstab wieder an und versuchte es abermals. Erneut versuchte er, seine Gedankenkraft zu bündeln, aber die Tatsache, dass die anderen inzwischen aufgerückt waren und er plötzlich Zuschauer hatte, war nicht gerade förderlich. Granock erwartete fast, dass Meister Cethegar fragen würde, was die Verzögerung solle, aber der Zauberer schwieg und ließ Farawyn gewähren. Den Regeln der Ausbildung zufolge bestimmte der jeweilige Meister ganz allein, wann er seinem Schüler im Zuge des garuthan eine Lektion erteilen wollte, und in Granocks Fall war es wohl gerade so weit.
Der junge Mensch bildete mit den Lippen lautlos eine Verwünschung, während er vor der Wand aus Dickicht stand, den Zauberstab seines Meisters in Händen, denn er kam sich vor wie ein Idiot. Er musste an Aldur und Alannah denken, die hinter ihm standen und ihn beobachteten, und er fühlte sich zutiefst verunsichert. Was würden die beiden über ihn denken, wenn er versagte? Und vor allem: Was würde sie über ihn denken?
Granock ertappte sich dabei, dass ihm das alles andere als gleichgültig war. Nach seinem sensationellen Abschneiden bei der Prüfung wollte er sich nicht vor Alannah blamieren, und die Angst vor dieser Blamage ließ ihn wütend werden. Da verfügte er schon über eine höchst ungewöhnliche Gabe, und was nützte sie ihm nun? Rein gar nichts! Den Dschungel erstarren zu lassen, machte nun wirklich keinen Sinn, denn die Zeit schien an diesem Ort ohnehin stillzustehen. Gegen Menschen und Elfen mochte man diese Gabe wirkungsvoll einsetzen können, den Wald und seine jahrtausendealten Bäume hingegen beeindruckte es nicht im Geringsten, dass man über die Zeit gebieten konnte.
»Worauf wartest du?«, sagte Farawyn. »Versuch es noch einmal. Ich weiß, dass du es kannst.«
»Na schön.« Granock schloss die
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