Die Zauberquelle
aufreizenden Ton zurück. Er glaubt wohl, er hat mir wegen der verdammten Schenkungsurkunde, die sein zwielichtiger Freund gefälscht hat, einen Ring durch die Nase gezogen. Du Kalb, du.
»Mit denen kommt er gewiß prächtig zurecht. Er steht selbst ja nur eine Stufe über ihnen. Also kann er sich nichts herausnehmen. Der pflügt sein Feld wie alle anderen, und ich spendiere ihm obendrein noch einen Maulesel.«
»Der Maulesel gibt wohl den Ausschlag, wie?«
Den sticht der Hafer, dachte der alte Mann. Aber ich kann erst mit der Bank nach ihm werfen, wenn wir diese Sache hinter uns haben.
Als sie durch das Tor ritten, zeigte sich verstohlen ein gelbliches Gesicht am Turmfenster. Lady Petronilla, die ›krank‹ das Bett hütete, hatte sich vergewissert, daß die Herren des Hauses aufbrachen. Jetzt war sie die Ranghöchste und die Herrin.
»Ich ersticke hier noch, ich muß an die frische Luft«, sagte sie zu ihrer alten Kinderfrau. »Hilf mir in mein Reitkleid, und dann geh und sag den Knechten, sie sollen mir die kleine Stute satteln, die Dame Margaret mitgebracht hat. Ich möchte sie ausprobieren.«
»Aber, Mylady…«
»Kein aber. Jetzt bin ich hier die Herrin. Dame Margaret muß mir ihre burgundische Stute geben, ob sie will oder nicht.«
»Mylady, ich meine doch nur, daß Bruder Paul Euch nicht begleiten kann.« Die Kinderfrau holte den Reitmantel aus der Truhe, half ihr beim Ausziehen ihres silbern bestickten Überkleides und legte ihr den grünen Surkot über die schwarze Kotta.
»Wer dürfte es wagen, mich auf diesem Anwesen aufzuhalten? Meinen Gürtel und meinen Dolch, und beeil dich.« Sie rollte mit den Augen, daß man das Weiße der Augäpfel sah, ihr Gesicht wirkte aufgedunsen und geschwollen, und auf der fohlen Haut waren gespenstische, braune Flecken.
»Aber, mein süßes Lämmchen, der Anstand gebietet…« Die alte Kinderfrau kniete jetzt zu ihren Füßen und befestigte kleine scharfe Sporen an ihren ledernen Reitstiefeln.
»Ich bin weder dein noch irgend jemandes Lämmchen. Ich kann selbst auf mich aufpassen«, sagte Lady Petronilla, holte sich die Reitpeitsche und ein Bündel im Leinenbeutel aus der geöffneten Eichentruhe, in der sie ihre Sachen verwahrte, und rauschte aus dem Zimmer. Hinter ihr im Raum blieb etwas Unheimliches, ein Geruch, der kein Geruch war. Die Kinderfrau erschrak, und die Haare standen ihr zu Berge.
»Wieder einer ihrer Anfälle, und Bruder Paul ist nicht da, um mir zu helfen. O mein Gott, das nimmt kein gutes Ende. Ich hätte mich auf mein Alter berufen und zu meinem Bruder ziehen sollen, statt sie hierher zu begleiten. Aber was hätte sie ohne mich angefangen? Was passiert, wenn die Wahrheit ans Licht kommt? Lieber Gott, lieber Gott, verschone mich, ich bin eine alte Frau, und was ich getan habe, ist aus Liebe zu dem süßen Kind geschehen, das sie einmal war.« Sie ging zum Kammerfenster und lugte nach unten. Es bot einen guten Blick auf den Hof und die sich hinter dem Burggraben erstreckenden Felder. Jenseits des Burgtores erblickte sie eine kleine Gestalt auf einer mattweißen Stute, die in gestrecktem Galopp den schmalen Pfad entlangpreschte, der vom Dorf über die Koppel zum Wald führte. »Liebster Herr Jesus, schenk ihr den Sohn, den sie braucht, ehe sie vollends den Verstand verliert«, flüsterte die alte Frau.
Margaret stand vor der niedrigen Tür des reetgedeckten Malzhauses, und der süßliche Gärgeruch, der sie umgab wie eine Wolke, versetzte die Abordnung aus dem Dorf in helle Vorfreude. Hinter ihr stand Alison, barfüßig, im blauen Kittel und mit aufgelöstem rotgoldenem Haar, das ihr über den Rücken floß. Ein paar ältere Bauersfrauen in groben braunen Kleidern, das Haar unter billigen Kopftüchern verborgen, standen ebenso barfüßig vor der Gruppe. Man beäugte sich vorsichtig. Wie sollten sie es anfangen?
»Mama, Mama, alles fertig!« rief Cecily und schob sich mit Madame im Schlepptau durch die kleine Schar. »Jedes Stück schön und weiß und glatt und kein bißchen versengt! Schönere Altartücher hat nicht mal die Kathedrale!« Madame lächelte und hob ein wenig die Schultern, als wollte sie sagen: ›Verzeiht ihr die Übertreibung.‹ Die Bauern drehten sich um und musterten das kleine Mädchen mit der welkenden Rose im struppigen Zopf. Sie beäugten sie beinahe hungrig. Normalerweise wäre Margaret das aufgefallen, aber sie war so erschöpft von den Vorbereitungen und so müde wie immer in den ersten Monaten der Schwangerschaft,
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