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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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mein Schatz, sondern Gott. Erste, zweite – Hauptsache, ihr seid beide meine Kinder.« Wir durchsuchten den Söller. Ich fand Cecilys Hemd, das sie hinter das kleine Notbett gestopft hatte, das die Mädchen teilten, und einen von Peregrines Schuhen.
    »Mama, ich habe einen ganzen Monat vor ihr Geburtstag, da kann ich doch aufholen. Wenn ich ganz, ganz artig bin, bin ich dann nächstes Jahr an meinem Geburtstag älter als sie?«
    »So läuft das nicht. Artigsein ändert nichts an der Zeit. Obwohl du einen Monat eher Geburtstag hast, bleibst du doch jedes Jahr die gleiche Zahl von Jahren hinter ihr. Du kannst nicht aufholen.«
    »Nie im Leben?«
    »Nie im Leben.« Alison seufzte aus tiefstem Herzensgrund. »Alison«, fragte ich, »wo ist Peregrines zweiter Schuh?«
    »Den hat Cecily in deine kleine Truhe unter dem Bett gelegt.«
    »Wieso denn das?« fragte ich und tastete unter dem großen, durchgelegenen Bett herum, das Gilbert und ich teilten. Unsere kleine Familie, Robert, der Knappe, und unser Hausgesinde, alles schlief im Söller, doch nur wir hatten Bettvorhänge, weil Gilbert ein Sohn des Hauses war.
    In Wirklichkeit war dieser kalte steinerne Raum gar kein Söller, da durch die schmalen hohen Fenster so gut wie kein Sonnenstrahl fiel. Es war ein großer langer Raum, der über den gesamten ersten Stock ging, über dem Palas gelegen war und so dicke Steinmauern hatte, daß in jede Fensteröffnung zwei sich gegenüberliegende Sitzbänke paßten. Im Bergfried gab es zwei runde Zimmer: das oberste, in dem Sir Hubert zusammen mit seinen Leibdienern, Falken, Jagdhunden und all dem Ungeziefer schlief, das so hoch klettern mochte. Darunter, auf gleicher Höhe mit dem Söller, lag Hugos und Petronillas Kammer, von der ein Verbindungsgang zum Söller führte. Zu ebener Erde im Bergfried befand sich die Kapelle, doch die konnte man nicht direkt vom Turm erreichen, weil die lange Holztreppe von den oberen Räumen außen um den Bergfried herum nach unten führte. Unter der Kapelle lag das Burgverlies, wo Sir Hubert Menschen, alte Weinfässer oder Beute aus Feldzügen verwahren konnte, ohne daß jemand dahinterkam. Für Bequemlichkeit und einen persönlichen Bereich war hier kein Platz. Das Dach war undicht, Ratten sprangen auf der Suche nach dem von den Hunden verschmähten Abfall durch die Binsen, und im Sommer stank der Burggraben klamm und ekelhaft, weil alle Abwässer hineinflossen. Wenn ich hier etwas zu sagen hätte, ich würde als erstes unter dem Abtritt, der in die Mauer des Söllers eingelassen war, eine Steingrube bauen, damit nicht alles durch den Schacht in den Burggraben fiel. Und die Grube würde ich regelmäßig ausnehmen lassen, wie man es in London in anständigen Häusern hält, die dann besser riechen. Danach würde ich die Binsen auswechseln und alles weißen, ja, alles, damit es hier sauber und ordentlich wäre – was auch immer alle dagegen einzuwenden hätten. Alsdann würde ich die Hälfte der Pferde verkaufen und dafür anständige Wandbehänge erstehen. Sir Hubert würde der Schlag treffen.
    Aber Schluß jetzt mit den Gedanken über die Instandsetzung des Hauses, die mich jedesmal überfallen, wenn ich hier zu Besuch bin. Ich machte die Truhe auf, fand den Schuh und band das Paar zusammen.
    »Alison, was habt ihr beiden wieder angestellt? Der Schuh hier ist ganz ausgetrocknet und steif, so als wäre er naß geworden. Der war doch ganz anders.«
    Alison blickte so durchtrieben wie immer, wenn sie Süßigkeiten stibitzt hat, und sagte: »Eigentlich wollten wir es dir nicht verraten, damit wir weiter mit Old Brownie spielen dürfen, aber Dame Petronilla hat ihn genommen und ihn in den Weiher geschleudert. Sie hat gesungen und getanzt wie ein Affe, dann hat sie den Schuh reingeworfen und ist weggeritten. Wir glauben, sie geht immer dahin, wenn sie ausreitet. Dort wünscht sie sich was. Wir gingen hinter ihr her, aber sie hat uns nicht gesehen, weil sie so durchgedreht war. Und dann hat Cecily den Schuh mit einem Stock rausgeangelt, und wir haben ihn zurückgebracht.« Mir wollte schier das Herz stehenbleiben, dann stieg es mir als Kloß in die Kehle.
    »Aber sie reitet doch mit einem Stallknecht oder mit ihrem Beichtvater. Ich könnte mir denken, daß der nichts von heidnischen Ritualen hält.«
    »Ach, Bruder Paul, dieser Heimlichtuer? Der reitet doch zum Kloster und läßt sie allein.«
    Zum Kloster? Einem Kloster voller Augustiner? Genau wie Bruder Paul? Auf einmal sah ich seinen finsteren Blick

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