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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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daß es ihr entging. »Mama, dürfen wir jetzt spielen? Wir möchten reiten.«
    »Großvater hat Old Brownie heute morgen mitgenommen«, antwortete Margaret. Die Bauersfrauen traten von einem Fuß auf den anderen und warfen sich Blicke zu. Sie hatten sich zu etwas durchgerungen und schoben eine Sprecherin vor, die Tochter der alten Hebamme.
    »Liebe Dame Margaret«, sagte sie, »wir könnten doch mit ihnen reiten gehen. Dürfen wir sie heute nachmittag mitnehmen? Wir kennen viele Spiele für die kleinen Ladys.«
    »Sehr gut, aber eine Stunde vor Sonnenuntergang müssen sie zurück sein«, antwortete Margaret.
    »So wohlbehalten wie in Abrahams Schoß«, sagte die Tochter der Hebamme, und die Gruppe nickte einhellig und murmelte Zustimmung. Margaret erblickte in der Menge viele, denen sie geholfen hatte und auf die Verlaß war, und atmete auf, weil ihre Mädchen einen schönen Nachmittag haben und ihr nicht in die Quere kommen würden. In der Gruppe vor der Brauhaustür machte sich Erleichterung und dann Fröhlichkeit breit, und beim Fortgehen stimmte eine der älteren Frauen ein Lied an. Eine nach der anderen fielen sie ein, dann auch die Mädchen, so als hätten sie das Lied bei einem anderen Ausflug ins Dorf gelernt. Sie hören sich glücklich an, dachte Margaret und kehrte zu ihrer Arbeit zurück. Aber Madame, die niemandem traute, fiel etwas auf. Diese Sprache hatte sie weder im Norden noch im Süden des Landes gehört. Englisch war das nicht. Und die Melodie war auch eigenartig. Irgendwie klang sie sehr, sehr alt. Madame wurde zur Löwin, denn sie witterte etwas. Ihr fiel ein, was sie Gilbert de Vilers gelobt hatte. Still wie ein Schatten folgte sie in einigem Abstand, damit niemand sie bemerkte.
    So gelangte sie ins Dorf, hielt sich aber zurück und versteckte sich hinter einem Gartenzaun, als sie Jubelgeschrei hörte. Die Mädchen schienen in ihrem Element zu sein, eitel und selbstgefällig, wie sie waren, als die alten Bauersfrauen ihnen Kränze aus bunten Sommerblumen auf den Kopf setzten. Sie hörte ein Muhen, und dann sah sie, wie Männer eine schneeweiße, mit Girlanden geschmückte Färse durch die Hauptstraße des Dorfes führten. Ein Dutzend Hände halfen den Mädchen hinauf. Madame blieb schier das Herz stehen, als sie sah, wie die Mädchen zu zweit auf der Färse ritten und den Leuten ringsum lächelnd zuwinkten. Ein seltsames Dorf, eine seltsame Sitte, Gott weiß, was hier vorging, und Madame war ganz auf sich gestellt. Sie wußte, daß weder die Kirche noch die anglo-normannischen Lehnsherren die barbarischen Wurzeln aus grauer Vorzeit hatten ausreißen können. Als Kind hatte man sie am Kamin mit Legenden von heimlichen heidnischen Opfern und tapferen Bischöfen ergötzt, die böse Heiden mit Feuer und Schwert bekämpften. Das Blut gerann ihr in den Adern, als der Zug querfeldein in Richtung Wald zog. Sie wußte, was dem Priester zugestoßen war. Für sie stand fest, daß die Mädchen dem gräßlichen Weiher als Menschenopfer dargebracht werden sollten, und sie war nicht in der Lage, Hilfe zu holen.
    Verzweifelt hastete Madame hinter der unheimlichen Prozession her. Sie bekam Steine in die Schuhe und fing an zu humpeln. O, diese elenden Schuhe, sie sind zu leicht für den langen Weg, dachte sie und setzte sich auf einen Grenzstein, um sie auszuleeren.
    »Mylady, haben Sie Euch auch nicht mitgenommen?« sagte ein Stimmchen neben ihr, und sie sah einen kleinen Bauernjungen mit Klumpfuß, der sich mit einer Krücke vorwärtsquälte.
    Schweiß rann Madame über das blasse Gesicht, und ihr graues Haar löste sich bereits aus der Kopfbedeckung. Eine Nadel war aus dem Kopftuch gefallen und hatte sich verbogen, aber sie hatte es nicht bemerkt, obwohl sie normalerweise so adrett war, daß sie jedes Verrutschen der korrekten Bekleidung spürte. »Ich bin zu alt, ich kann nicht mithalten«, sagte sie in der Hoffnung, den Jungen abzuschütteln.
    »Sie nehmen den langen Weg«, sagte er, »und bei dem ganzen Gesinge kommen sie nur langsam voran. Ich kenne eine Abkürzung, aber ein richtiger Weg ist das nicht. So verpassen wir das Beste nicht.«
    »Und was ist das Beste?« fragte Madame und machte sich darauf gefaßt, daß der Junge beim Lächeln eine Reihe spitzer Menschenfresserzähne zeigen würde.
    »Die Anbetung des Weiher-Wesens und das Darbringen der Opfergaben.« Madame machte weiter eine ungerührte Miene.
    »Und was für Opfergaben sind das?« fragte sie.
    »Ach, jede Familie im Dorf hat eine kleine

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